Mit dem Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz) nutzten die Vertragspartner der Prüfungsvereinbarung Sachsen zum 1. Januar 2017 erstmals die Möglichkeit, die Richtgrößenprüfung abzulösen. Um den sächsischen Ärzten genug Zeit zu geben, sich auf die neue Prüfart vorzubereiten, wurden zunächst nur fachgruppenspezifische Zielwerte vereinbart. Die Richtgrößenprüfung wurde weiterhin als Prüfart beibehalten. Seit 1. Januar 2018 wird die Wirtschaftlichkeit der Arzneimittelverordnungen zahlreicher Ärzte ausschließlich über die Zielwertprüfung bewertet.

Die von Amts wegen durchzuführende Prüfung bezieht sich grundsätzlich auf die in einem Kalenderjahr getätigten Verordnungen. Grundlagen für die Zielwertprüfung bilden die Prüfungsvereinbarung (insbesondere Anlage 1a Teil A) und die Arzneimittelvereinbarung.

Für folgende Prüfgruppen wurde die Zielwertprüfung vereinbart:

  • Allgemeinmedizin/Praktische Ärzte

  • Augenheilkunde

  • Innere Medizin - fachärztlich tätig, ohne Schwerpunkt

  • Innere Medizin – hausärztlich tätig

  • Innere Medizin - Endokrinologie und Diabetologie

  • Innere Medizin – Angiologie

  • Innere Medizin – Hämatologie und Onkologie 

  • Innere Medizin – Nephrologie

  •  Innere Medizin – Kardiologie

  • Innere Medizin – Pneumologie

  • Innere Medizin – Rheumatologie

  • Neurologie/Psychiatrie

  • Psychiatrie

  • Orthopädie

  • Urologie

Für die betroffenen Prüfgruppen werden jährlich entsprechende Wirtschaftlichkeitsziele in Form von Zielwerten für vorrangig einzusetzende Wirkstoffe innerhalb definierter Indikationen mit den Krankenkassen in der Arzneimittelvereinbarung vereinbart. Dabei orientieren sich die Zielwerte grundsätzlich an den durchschnittlichen Anteilen der Wirkstoffe in der betreffenden Prüfgruppe – bezogen auf die definierten Tagesdosen (DDD – defined daily dose). Bei einzelnen Zielen (z. B. Biosimilarquoten), in denen die sächsischen Durchschnittswerte die des Bundes deutlich unterschreiten, dient der Bundesdurchschnitt als Orientierung.

Verordnungen, die außerhalb jeglicher Ziele liegen oder Ziele betreffen, die für andere Prüfgruppen gelten, werden nicht in die Zielwertprüfung einbezogen. Dennoch gilt für diese Verordnungen das Wirtschaftlichkeitsgebot, so dass entsprechende Verordnungen auf Antrag der jeweiligen Krankenkasse durch die Prüfgremien auf Zulässigkeit bzw. Wirtschaftlichkeit geprüft werden können.

Für Praxen > Verordnungen > Einzelfallprüfung

 

Geprüft werden alle einer Prüfgruppe zugeordneten Ärzte innerhalb einer Betriebsstätte, die ihre Zielwerte am weitesten unterschritten haben. Grundsätzlich sollen nicht mehr als 5 % jeder Prüfgruppe in die Zielwertprüfung einbezogen werden. Der Prüfzeitraum beträgt ein Kalenderjahr.

In die Prüfung einbezogen werden die Ärzte, die ihre Ziele insgesamt nicht eingehalten haben. Ein verfehltes Ziel kann durch die „Übererfüllung“ anderer Ziele ausgeglichen werden. Dabei genügt es aber nicht, allein die Anzahl der bis zur Zielerfüllung fehlenden Tagesdosen auszugleichen, da die Kosten je Tagesdosis unterschiedlich hoch sind. Ein verfehltes Ziel mit hohen DDD-Kosten kann nur durch eine deutliche Übererfüllung eines anderen Ziels mit niedrigen DDD-Kosten ausgeglichen werden.

Eine Verfehlung des Zielwertes um maximal 5% (z. B. Zielwert: 82,5 % -> Toleranzgrenze: 78,375 %) gilt nicht als auffällig. Ärzte, die weniger als drei ihrer vorgegebenen Ziele im Prüfzeitraum bedient haben, erhalten eine höhere Toleranz, da ihre Ausgleichsmöglichkeiten zwischen den Zielen geringer sind. Obgleich der Medikationskatalog mit nur einem indikationsübergreifenden Zielwert belegt ist, wird er der Fairness halber bei der Bestimmung der Zieltoleranz in die verschiedenen Indikationsgebiete (z. B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Stoffwechselstörungen oder Atemwegserkrankungen) aufgeteilt.

Die KV Sachsen konnte erreichen, dass rabattierte Arzneimittel auf der Zielsubstanzseite aufgewertet und rabattierte Arzneimittel auf der Nichtzielsubstanzseite abgewertet werden. Das heißt, sie gehen mit 1,1 bzw. 0,9 anstatt mit 1,0 DDD in die Berechnung ein. Außerdem vermindert sich ein ggf. festzusetzender Regress, je höher die Rabattbedienquote des Arztes im Gesamtmarkt ist.

Die aus der Richtgrößenprüfung bekannte Praxisbesonderheitenliste findet in der Zielwertprüfung keine Anwendung. Eine Substanz, die unter Ziel gestellt wurde, kann selbst nicht gleichzeitig Praxisbesonderheit sein. Dennoch kann es in der Praxis- bzw. Patientenstruktur begründet sein, dass ein Wirtschaftlichkeitsziel nicht erfüllbar ist. In diesem Fall hat der Arzt die Möglichkeit, im Rahmen der Stellungnahme zum Prüfverfahren beispielsweise unter Bezugnahme auf eine bestehende größere Diagnosehäufigkeit eine Praxisbesonderheit zu erläutern bzw. zu begründen, die dann von der Prüfungsstelle zu bewerten ist. Anerkannte Praxisbesonderheiten sollen in den Folgejahren bei erneuter statistischer Auffälligkeit bereits in der Vorab-Prüfung in angemessenem Umfang pauschal berücksichtigt werden.

Ärzte können nach der Zielwertprüfung „keine Maßnahme“ erhalten. Dies erfolgt, wenn nach der Prüfung durch Anerkennung von Praxisbesonderheiten die Zielwertverfehlung ausreichend begründet werden konnte. Wurde nach Abschluss der Prüfung nicht jedes einzelne Ziel jedoch die Auffälligkeitsgrenze insgesamt eingehalten, erhält der Arzt eine „einfache“ Beratung, das heißt, er gilt durch diese Prüfung nicht als erstmalig auffällig. Wird die Auffälligkeitsgrenze nicht erreicht, gilt der Arzt als auffällig und es ist zu prüfen, ob ein Regress festzusetzen ist oder aufgrund erstmaliger Auffälligkeit eine „Beratung vor Regress“ erfolgt.

Als erstmalig auffällig gelten gemäß der Rahmenvereinbarung auf Bundesebene Ärzte, deren letzter Regress oder bei denen die Beratung vor Regress vor mehr als fünf Jahren formal bestandskräftig wurde. Dabei sind bei der Zielwertprüfung auch rechtskräftige Entscheidungen aus der Arzneimittel-Richtgrößenprüfung einzubeziehen. Ein „Auf-Null-Stellen“ gibt es somit nicht. Ärzte, welche sich erstmals niederlassen bzw. an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, erhalten in den ersten beiden Prüfzeiträumen der Niederlassung keine Maßnahme.

Sollte ein Regress festgesetzt werden, ist dieser in den ersten beiden Jahren nach erfolgter Beratung auf insgesamt 25.000 € begrenzt.

Der geprüfte Arzt hat grundsätzlich das Recht, gegen den rechtsbehelfsfähigen Bescheid der Prüfungsstelle Widerspruch einzulegen. Dieser entfaltet aufschiebende Wirkung, das heißt, ein ausgesprochener Regress wird nicht sofort umgesetzt. Es findet nunmehr eine erneute Prüfung des Sachverhaltes statt, an dessen Ende eine rechtsmittelfähige Entscheidung des Beschwerdeausschusses steht. Zu diesem Zeitpunkt entfällt die aufschiebende Wirkung und ein vom Beschwerdeausschuss festgesetzter Regress wird sofort fällig. Daran ändert auch eine hiergegen gerichtete Klage beim Sozialgericht nichts.

Der Medikationskatalog der KBV unterstützt Vertragsärzte bei einer evidenzbasierten, sicheren und indikationsgerechten Verordnungsentscheidung und wurde als Ziel für viele Prüfgruppen in Sachsen vereinbart. Bei der Erstellung durch die KBV wurden insbesondere Leitlinien, Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, Abschlussberichte des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses und systematische Übersichtsarbeiten (Cochrane-Reviews) berücksichtigt.

Abhängig von der Evidenz wurden die Wirkstoffe, die für die Behandlung der im Medikationskatalog behandelten Indikationen zugelassen sind, als „Standard“, „Reserve“ oder „nachrangig“ eingestuft.

Als „Standard“ sind die Wirkstoffe definiert, die für den überwiegenden Anteil der Patienten zur Behandlung der jeweiligen Indikation in Frage kommen. Die Kategorie „Reservewirkstoff“ bezieht sich auf den Einsatz bei „relevanten“ Patientengruppen, für die eine Behandlung mit den Standardwirkstoffen nicht in Frage kommt. Ein Beispiel hierfür sind einige Sartane, die bei einer ACE-Hemmer-Unverträglichkeit als „Reservewirkstoffe“ eingestuft sind.

Der letzten Kategorie „nachrangig einzusetzende Wirkstoffe“ sind die übrigen für die jeweilige Indikation zugelassenen Wirkstoffe zugeordnet, die nicht unter die Definition „Standard“ oder „Reserve“ fallen. Hierunter können auch Wirkstoffe subsumiert sein, die in bestimmten Behandlungskonstellationen Vorteile haben und dann auch eingesetzt werden können, die aber in der Gesamtschau als „nachrangig zu verordnen“ einzustufen sind.

Ziel ist es, dass Ärzte den überwiegenden Anteil der Verordnungen entsprechend der Empfehlungen aus dem Medikationskatalog vornehmen. Die freie Therapieentscheidung im Einzelfall bleibt unberührt.

Folgende Indikationen umfasst der Medikationskatalog:

Infekt der HarnwegeCOPDVorhofflimmernAlzheimer Demenz
Infekte der obene AtemwegeHypertonieDiabetes mellitus Typ 2Osteoporose
Infekte der unteren AtemwegeKoronare HerzkrankheitFettstoffwechselstörung 
Asthma bronchialeChronische HerzinsuffizienzDepression