Die Richtgrößenprüfung gemäß § 106 Abs. 2 Nr. 1 SGB V ist eine auf die Verordnungsweise des Arztes beschränkte Form der Wirtschaftlichkeitsprüfung. Geprüft wird die Verordnung von Arznei- und Verbandmitteln einschließlich Sprechstundenbedarf auf der Basis des arztgruppenspezifischen Verordnungsvolumens pro Behandlungsfall (Richtgröße), welches zwischen den Landesverbänden der Krankenkassen, den Verbänden der Ersatzkassen und den Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbart wird.

Die von Amts wegen durchzuführende Prüfung bezieht sich grundsätzlich auf die in einem Kalenderjahr getätigten Verordnungen. Grundlage sind die arztbezogenen Richtgrößenvergleiche, die mithilfe der von den Kassenärztlichen Vereinigungen übermittelten Fallzahlen und den von den Krankenkassen übermittelten Verordnungsdaten von der Prüfungsstelle erstellt werden.

In Sachsen gelten die Richtgrößen für folgende Prüfgruppen:

  • Anästhesisten

  • Chirurgen

  • Gynäkologen

  • Hautärzte

  • HNO-Ärzte

  • Kinderärzte

  • Internisten – Gastroenterologen

  • Neurologen

 

Bei Ärzten mit einer Überschreitung von mehr als 15 % gegenüber der Richtgröße wird von der Prüfungsstelle eine Vorabprüfung durchgeführt. Dabei werden alle Verordnungskosten, die im Zusammenhang mit einer gesetzlichen oder in der Prüfungsvereinbarung verankerten Praxisbesonderheit (Anlage 1.1 der Prüfungsvereinbarung) stehen und/oder auf bereits bekannte Praxisbesonderheiten zurückzuführen sind, vom Verordnungsvolumen abgezogen und ein erneuter Vergleich mit der Richtgröße vorgenommen. Soweit es sich um Indikationen handelt, die zwischen der KV Sachsen und den Krankenkassen in Sachsen als Praxisbesonderheiten vereinbart wurden, empfiehlt es sich, auf dem betreffenden Behandlungsschein die in der Anlage 1.1 aufgeführten Pseudo-GOP zu dokumentieren. Ergibt sich weiterhin eine Überschreitung von mehr als 25 %, wird für in der Regel 5 % der Ärzte einer Fachgruppe eine Richtgrößenprüfung durchgeführt.

Für den geprüften Arzt besteht nun im Rahmen der Anhörung die Möglichkeit, die aus seiner Sicht existierenden Praxisbesonderheiten geltend zu machen, vorzugsweise unter Gebrauch des in der Prüfungsvereinbarung definierten Formblattes (Anlage 1.4). Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Praxisbesonderheiten trägt der geprüfte Arzt. Daher empfiehlt es sich, die Geltendmachung so substantiiert wie möglich vorzunehmen. Die patientenbezogenen Praxisbesonderheiten sollten unbedingt die folgenden Informationen beinhalten: Versichertennummer, Patientenname, Geburtsdatum, Diagnosen, verordnete Arznei- und Verbandmittel sowie die angefallenen Verordnungsmengen und evtl. entstandene Kosten, falls bekannt.

Wenn nach Abschluss der Prüfung immer noch eine Restüberschreitung zwischen 15 und 25 % verbleibt, wird seitens der Prüfungsstelle eine Beratung zum Verordnungsverhalten ausgesprochen und durchgeführt.

Bei Überschreitungen von mehr als 25 % droht die Festsetzung eines Regresses. Mit dem Inkrafttreten des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes am 1. Januar 2011 wurde die Festsetzung eines Regresses für Ärzte, die erstmalig das Richtgrößenvolumen um mehr als 25 % überschreiten für die ersten beiden Jahre einer Regressfestsetzung auf maximal 25.000 Euro begrenzt. Seit dem Inkrafttreten des GKV-Versorgungsstrukturgesetzes am 1. Januar 2012 wird für Erstüberschreiter eine Beratung ausgesprochen. Erst danach ist die Festsetzung eines Regresses möglich. Ein Regress kann erstmals für den Prüfzeitraum nach der Beratung festgesetzt werden.

Rabattverträge nach § 130a Abs. 8 SGB V haben keinen Einfluss auf den ausgewiesenen Bruttopreis eines Arzneimittels. Der den Krankenkassen zustehende Rabatt wird erst im Nettopreis wirksam. Maßgeblich für den Vergleich mit der Richtgröße ist jedoch das Bruttoverordnungsvolumen, welches bei den meisten Fertigarzneimitteln durch den Apothekenverkaufspreis (AVP) bestimmt wird. So kann es dazu kommen, dass der Arzt mit einem nicht rabattierten Produkt, welches zu einem niedrig(er)en AVP gehandelt wird, weniger auffällig wird und damit ggf. der Wirtschaftlichkeitsprüfung entgeht. Es bestehen daher derzeit keine Anreize für den Arzt, rabattierte Produkte mit hohem AVP zu verordnen.

Um diese maßgebliche Hürde bei der Verordnung rabattierter Arzneimittel zu beseitigen, hat die KV Sachsen mit der AOK PLUS eine Vereinbarung abgeschlossen, in der die Prüfungsstelle verpflichtet wird, die von der AOK PLUS gemeldeten Differenzbeträge zwischen dem AVP des verordneten Produktes und dem AVP des zum Verordnungszeitpunkt preislich günstigsten Generikums im Rahmen der Vorabprüfung als Praxisbesonderheit anzuerkennen und vom Verordnungsvolumen abzusetzen. Die AOK PLUS trägt die wirtschaftliche Verantwortung dafür, dass der Nettopreis des rabattierten Arzneimittels grundsätzlich günstiger ist als der Nettopreis des preisgünstigsten austauschbaren Generikums.

Die KV Sachsen wird sich dafür einsetzen, dass diese Regelung auf möglichst alle anderen sächsischen Krankenkassen/-verbände ausgedehnt wird.

Über das Ergebnis erteilt die Prüfungsstelle dem geprüften Arzt einen rechtsbehelfsfähigen Bescheid.

Wird daraufhin seitens des Arztes Widerspruch eingelegt, entfaltet dieser aufschiebende Wirkung, das heißt, ein ausgesprochener Regress wird nicht sofort umgesetzt. Es findet nunmehr eine erneute Prüfung des Sachverhaltes statt, an dessen Ende eine rechtsmittelfähige Entscheidung des Beschwerdeausschusses steht. Zu diesem Zeitpunkt entfällt die aufschiebende Wirkung und ein vom Beschwerdeausschuss festgesetzter Regress wird sofort fällig. Daran ändert eine hiergegen gerichtete Klage beim Sozialgericht nichts.