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Deutscher Ärztetag beschließt Maßnahmenkatalog gegen Kommerzialisierungsdruck

Der 126. Deutsche Ärztetag hat einen Maßnahmenkatalog gegen den Kommerzialisierungsdruck in der ambulanten und stationären Versorgung beschlossen. Darin fordert die Ärzteschaft unter anderem, die Gründung von Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) durch Krankenhäuser an einen fachlichen, räumlichen und regionalen Bezug zu deren Versorgungsauftrag zu koppeln.

„Ärztliche Entscheidungen dürfen nicht zulasten der medizinischen Indikation und Versorgungssicherheit von wirtschaftlichen Vorgaben beeinflusst werden“, stellte der Deutsche Ärztetag klar. Daher seien explizite, sanktionsbewehrte Regelungen notwendig, nach denen die Träger gewährleisten müssen, dass die bei ihnen tätigen Ärztinnen und Ärzte ihre berufsrechtlichen Vorgaben einhalten können.

In einem weiteren Beschluss forderte der Ärztetag den Gesetzgeber dazu auf, dem fortschreitenden Aufkauf des ambulanten medizinischen Sektors durch Private Equity und börsennotierte Aktienunternehmen Einhalt zu gebieten. „Bisherige Gesetzesänderungen verhindern nicht, dass zunehmend aus dem Solidarsystem gespeiste Ressourcen der gesundheitlichen Daseinsvorsorge zu den Shareholdern abfließen und nicht sichergestellt ist, dass die Gewinne in Deutschland versteuert werden“, kritisierten die Abgeordneten.

Für mehr Transparenz für Patientinnen und Patienten würde nach Auffassung des Ärztetags ein öffentliches und frei zugängiges MVZ-Register sorgen. Zusätzlich sollten die MVZ dazu verpflichtet werden, die Trägerschaft auf dem Praxisschild auszuweisen.

An die Klinikleitungen adressierte der Deutsche Ärztetag die Forderung, den ökonomischen Druck auf die Ärzteschaft sowie bürokratische Aufgaben zu reduzieren. Ökonomische Überlegungen dürften sich nicht auf die Qualität der Patientenversorgung auswirken, stellte das Ärzteparlament klar. Ärztinnen und Ärzten müsse mehr Zeit für die Gesundheitsversorgung bleiben. „Auf Dokumentationsaufgaben und Arztbriefe wird deutlich mehr Arbeitszeit verwendet, als auf den direkten Patientenkontakt und die Befundrecherchen. Dass die Patientenbehandlung deswegen häufig zu kurz kommt, belastet viele Ärztinnen und Ärzte, gerade weil die Fehleranfälligkeit unter Zeitdruck steigt“, heißt es in dem Beschluss. In Kombination mit der chronisch zu hohen Wochenarbeitszeit senke dies nachhaltig die Attraktivität des Arztberufes.

                                                                         – Information der Bundesärztekammer –

TI jetzt zukunftsfähig gestalten – Schnellprogramm für akute Probleme

Die Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) hat am 23. Mai 2022 in Bremen eine Resolution zur Telematikinfrastruktur beschlossen:

Im Sinne der Versorgung der Patientinnen und Patienten müssen die akuten Baustellen der Telematikinfrastruktur (TI) schnellstmöglich behoben werden. Damit sich diese Situation in den kommenden Jahren nicht wiederholt, gilt es zudem, bei der Weiterentwicklung der TI-Strategie grundlegende Kurskorrekturen vorzunehmen. Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten halten die Umsetzung der folgenden Anforderungen für unerlässlich, um die TI inklusive aller Anwendungen endlich zum Laufen zu bringen.

Ein Schnellprogramm muss mindestens die folgenden Punkte vorsehen:

  1. Die Praxen brauchen funktionierende Anwendungen. Hierfür fordern wir ein verbindliches Testkonzept für sämtliche Komponenten und Anwendungen – inklusive sämtlicher Komponenten-Kombinationen – und einen kontrollierten Rollout-Prozess, für die wir unsere Expertise anbieten.
  2. Die Praxen brauchen angesichts der vorherrschenden Abhängigkeit von der Industrie Unterstützung und Abhilfe. Wir fordern daher unter anderem einen Herstellergipfel im Bundesgesundheitsministerium, in dem sich insbesondere die Anbieter der Dienste und Anwendungen auf eine reibungslose Implementierung der Anwendungen verpflichten. Gegebenenfalls kann auch über geeignete finanzielle Anreize gesprochen werden, die zuletzt bei der Umsetzung der Impfzertifikate-Software zu einer schnellen Bereitstellung beigetragen haben.
  3. Die Praxen brauchen Transparenz und Verlässlichkeit. Das tagesaktuelle Online-Reporting der gematik muss daher um den Aspekt der TI-Fähigkeit sämtlicher Praxisverwaltungssysteme im Hinblick auf die einzelnen Anwendungen erweitert werden. Dieses soll als Grundlage für alle weiteren Entscheidungen dienen.
  4. Die Praxen brauchen eine zentrale Info-Hotline der gematik, bei der sie anrufen können, wenn sie TI-Probleme feststellen. Diese Hotline muss in der Lage sein, schnell und konkret festzustellen, wo die Problemursache liegt und bei Problemen der TI unmittelbar helfen. Bei anderen Fehlerursachen hat sie umgehend mitzuteilen, wer der richtige Ansprechpartner ist.
  5. Die Praxen brauchen rechtzeitig einen reibungslos für sie organisierten und vollumfänglich finanzierten Austausch der Konnektoren, der in jeglichen Rollout-Szenarien zu berücksichtigen ist.
  6. Die Praxen brauchen kompetente IT-Dienstleister vor Ort, die sich mit der TI auskennen. Da die TI federführend vom BMG verantwortet wird, sollte das BMG gemeinsam mit den anderen Ressorts in der Bundesregierung eine Fachkräfte- und Qualifizierungsoffensive initiieren.
  7. Die Praxen brauchen Unterstützung, um die neuen Anwendungen in den Praxisalltag zu integrieren. Zudem brauchen sie Entlastungen bei der Information der Patienten über neue Anwendungen. Daher bedarf es zweier Informationskampagnen, einmal seitens der Hersteller mit CME-Punkten für die Praxen und einmal seitens der Krankenkassen zur Aufklärung ihrer Versicherten.
  8. Die Praxen brauchen zeitnah eine gesetzliche Klarstellung darüber, dass ihre Verantwortung für den Datenschutz nur so weit reicht, wie sie es auch beeinflussen können.

Richtungsweisende Entscheidungen zur Weiterentwicklung der TI stehen unmittelbar bevor (zum Beispiel TI 2.0), daher sind neben dem Schnellprogramm zeitnah auch grundlegende Kurskorrekturen durch das BMG bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen vorzunehmen. Diese sind vor dem Hintergrund des erklärten politischen Ziels zu sehen: Für eine zukunftsfeste Aufrechterhaltung und – wo möglich – Verbesserung der medizinischen und pflegerischen Versorgung der Menschen in Deutschland mithilfe digitaler Innovationen wird die digitale Vernetzung des Gesundheitswesens über alle Sektoren und Fachberufe angestrebt.

Die Praxen sind frustriert von den bisherigen Erfahrungen mit der Telematikinfrastruktur und wünschen sich eine Digitalisierung, die die Praxen in der Versorgung ihrer Patientinnen und Patienten unterstützt.

                                                                          – Nach Informationen der KBV –