Leserbrief: Hausbesuch im Bereitschaftsdienst – wie begründen sich Entscheidungen?
Sehr geehrte Damen und Herren,
den in der KVS Mitteilung 04 / 2021 gedruckten Artikel „Hausbesuch im Bereitschaftsdienst ist grundsätzlich Pflicht – eine externe juristische Bewertung“ nehme ich zum Anlass dieses Schreibens. Dass die Nichtdurchführung des Hausbesuches im beschriebenen Fall eine Pflichtverletzung darstellt ist unbestritten und Bedarf meines Erachtens und nach meinem Berufsverständnis keinerlei Kommentierung. Die weiteren Ausführungen im Artikel werfen jedoch Fragen und Unverständnis auf. Weiterhin schüren sie Ängste und schüchtern ein.
Zunächst möchte ich die Erfahrungen meines ersten Fahrdienstes am Karfreitag 02.04.2021 (Nacht) im Leipziger Land schildern. Als wesentlichen Vorteil der Umstrukturierung sehe ich die Anwesenheit eines weiteren „Kollegen“, was das eigene Sicherheitsgefühl bei nächtlichen Hausbesuchen deutlich erhöht sowie hinsichtlich medizin-rechtlicher Aspekte (Anwesenheit eines Zeugen) Sicherheit gibt.
Mein erster Hausbesuch führte mich gegen 20 Uhr zu einer Frau mittleren Alters mit Ohrenschmerzen (einfache soziale Verhältnisse, die 18-jährige Tochter war ebenfalls vor Ort). Im Anamnesegespräch stellte sich heraus, dass bereits am frühen Nachmittag desselben Tages ein Kollege des ärztlichen Bereitschaftsdienstes vor Ort war. Ein Rezept für Ohrentropfen war durch diesen bereits rezeptiert, von der Patientin bzw. deren Tochter jedoch nicht aus der Apotheke geholt, da der Weg zu dieser zu weit gewesen wäre.
Der Folgeeinsatz war glücklicherweise in derselben Ortschaft. Bei Eintreffen war die Ehefrau des Hilfesuchenden über mein Erscheinen ganz überrascht. Da sich die Beschwerden des Ehemannes zwischenzeitlich verschlechterten, hätten diese bereits den Rettungsdienst informiert, welcher den Patienten ins Krankenhaus transportiert hätte. Darüber wurde ich nicht informiert. Wären die Einsatzorte beispielsweise Narsdorf und Markranstädt gewesen, wären 120 km und zirka 1,5 Stunden (für Hin- und Rückfahrt) umsonst gewesen.
Der dritte Einsatz erfolgte gegen 3 Uhr. Die ärztliche Vermittlungszentrale schickte mich zu einer Patientin, welche sich vor zirka 1,5 Jahren eine Rippe angebrochen hätte und die Beschwerden zuletzt stärker geworden seien. Vor Ort zeigte sich eine allein lebende, ängstliche Patientin (so wie von mir bei Eingang des Einsatzes auf dem Handy bereits vermutet) und es bedurfte lediglich eines Gespräches im psychosomatischen Sinne sowie einer marginalen Anpassung der vorbestehenden Schmerzmedikation.
Diese Einsätze waren unnötig und wären nicht zustande gekommen, wenn die Notwendigkeit einer Hausbesuchsanforderung durch mich, den durchführenden Dienstarzt, festgelegt worden wäre. Sie sind das Resultat der ausschließlichen Entscheidungskompetenz der ärztlichen Vermittlungszentrale. Daher erwarte ich eine lückenlose Beschreibung der Kommunikationsabläufe innerhalb der ärztlichen Vermittlungszentrale vom Eingang des „Notrufes“ bis zur Information des Fahrdienstes.
Insbesondere interessiert mich die fachliche Qualifikation aller in den Prozessabläufen beteiligten Personen. Wie der Name „ärztliche Vermittlungszentrale“ implementiert, gehe ich davon aus, dass die Notwendigkeit wirklich jedes einzelnen Einsatzes von einem Arzt getroffen wird, was ich mir anhand der beschriebenen Einsatzberichte nicht vorstellen kann. Und falls doch, welche Qualifikationen / Berufserfahrungen sind gefordert?
Jeder niedergelassen Arzt ist zur Teilnahme am kassenärztlichen Bereitschaftsdienst verpflichtet. Nach meinem Verständnis ist dessen gewissenhafte Durchführung eine Selbstverständlichkeit. Ebenso selbstverständlich sehe ich aber auch das Recht, die Notwendigkeit eines Hausbesuches als durchführender Arzt selbst festzulegen.
Ich erinnere mich an Worte von Herrn Dr. Windau im Rahmen von Einführungsveranstaltungen anlässlich der Neustrukturierung des Kassenärztlichen Bereitschaftsdienstes, welcher – damals für mich glaubhaft und authentisch – die Politik rügte, welche ausschließlich die Wünsche der potentiellen Wähler interessieren würde und dies zu einer kostenlosen 24 Stunden „Rund um Sorglos Medizin“ ohne jegliche Eigenverantwortung der Patienten führt.
Genau dies sehe ich allerdings bei der aktuellen Umsetzung der ärztlichen Vermittlungszentrale. So entsteht für mich nach meinen bisherigen Erfahrungen der Eindruck, dass nichtärztliche Mitarbeiter der Vermittlungszentrale oder im schlimmsten Fall der Patient selbst über einen Hausbesuch entscheiden. Das geht meiner Meinung nach nicht. So wie der durchführende Dienstarzt für Fehler haftbar gemacht werden kann, ist es sein Recht über Notwendigkeit und Reihenfolge der Einsätze selbst zu entscheiden.
Die erheblichen Kosten der „Ärztlichen Vermittlungszentrale“ in dieser Form kann jeder niedergelassene Arzt seinem Abrechnungsbescheid entnehmen. Wenn das Resultat dieser Kosten, die sich mir zugetragenen Ereignisse im KV-Dienst sind, ist dies für den dienstausführenden Arzt nicht hinnehmbar. Ebenso unverständlich für mich, weshalb bei den KV-Dienstfahrzeugen hochpreisige Modelle (siehe Foto KVS-Mitteilung: 3er BMW, aktuelles Modell) notwendig sind. Auch erschließt es sich mir nicht, Intubationsbesteck für Säuglinge an Bord zu haben, ein Standardantibiotikum allerdings nicht.
Bei mir entsteht der Eindruck, dass es vielmehr um eine Kontrolle und Überwachung des durchführenden Dienstarztes geht. Und wie in vielen Bereichen des gesellschaftlichen Zusammenlebens gilt auch hier: auf dem Papier alles wunderbar, die Realität zeigt aber ein deutlich anderes Bild, zu Lasten der dienstausführenden Personen.
Ich wünsche, dass mein Beitrag in einer der kommenden KVS-Mitteilungen abgedruckt wird. Insbesondere erwarte ich eine umfassende Beantwortung meiner Fragen.
Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Alexander Schmidt
(Facharzt für Allgemeinmedizin, Zusatzbezeichnung Notfallmedizin, Frohburg)
Antwort der KV Sachsen
Sehr geehrter Herr Kollege Schmidt,
vielen Dank für Ihr Schreiben vom 26.04.2021 und dass Sie sich die Zeit genommen haben, Ihre Erfahrungen aus Ihrem Dienst vom 02.04.2021 zu berichten.
Da Sie darum gebeten hatten, Ihren Beitrag in den KVS-Mitteilungen abzudrucken und diesem Wunsch selbstverständlich auch nachgekommen wird, möchte ich auch unsere Antwort allen Kolleginnen und Kollegen zur Kenntnis geben. Auf sechs Punkte möchte ich konkret eingehen und sie sind deshalb in Ihrem Leserbrief entsprechend markiert.
Vorangestellt seien aber einige wenige Anmerkungen zum Vermittlungsablauf im Bereitschaftsdienst:
Die Kassenärztlichen Vereinigungen sind seit dem 1. Januar 2020 gesetzlich dazu verpflichtet, rund um die Uhr für Patienten mit akuten Beschwerden erreichbar zu sein. Der Patient muss auf Basis eines einheitlichen Ersteinschätzungsverfahrens an ein angemessenes Versorgungsangebot weitervermittelt werden. Dies erfolgt mittels SmED (strukturierte medizinische Ersteinschätzung in Deutschland). Als Ergebnis erhalten die Mitarbeiter der Ärztlichen Vermittlungszentrale die Entscheidungsgrundlagen zur Dringlichkeit („Notfall“, „Sofort“, „Heute“, „Telefonische Konsultation“, „Wenn in den nächsten 2 bis 3 Tagen keine Besserung eintritt, zum Hausarzt“) sowie zum Ort der Versorgung („Rettungsdienst“, „Notaufnahme“, „Hausarzt“, „Arzt / Bereitschaftsdienst“).
Sie äußern Zweifel, ob die durch die Ärztliche Vermittlungszentrale vermittelten Hausbesuche wirklich notwendig gewesen sind und fordern eine transparente Darstellung der Kommunikationsabläufe.
In allen drei geschilderten Fällen lag zum Aufnahmezeitpunkt eine Einschätzung in der Versorgungsebene „Arzt / Bereitschaftsdienst“ und mit der Dringlichkeit „heute“ vor, weshalb Hausbesuche vermittelt worden sind.
Das in der Ärztlichen Vermittlungszentrale installierte System hat bisher nicht die Möglichkeit, die Historie des vermittelten Patienten aufzurufen. Dies ist zukünftig jedoch geplant und würde dann bewirken, dass in der geschilderten Situation ein Zweitbesuch wahrscheinlich nicht mehr erfolgt wäre. Die Kenntnis der gesamten Patientenhistorie ist natürlich auch für manch andere Fälle hilfreich.
Leider wird die hier geschilderte Konstellation immer wieder auftreten, da weder der Patient noch die Rettungsleitstelle verpflichtet werden können, der Ärztlichen Vermittlungszentrale eine zwischenzeitliche Anforderung des Rettungsdienstes zu melden. (Auch hier wäre, wie in vielen anderen Fällen, eine Gebühr für die Inanspruchnahme im Notfall sehr hilfreich, würde sie doch dann zwei Mal anfallen.)
Dieser Einsatz wäre (nach Abhören der Bandaufzeichnung) nicht vermeidbar gewesen, weil das primäre Meldebild eine Kategorisierung in „Telefonische Konsultation“ oder „Wenn in den nächsten 2 bis 3 Tagen keine Besserung eintritt, zum Hausarzt“ nicht erlaubt hätte.
„Ärztliche Vermittlungzentrale“ bedeutet Vermittlung an einen Arzt und nicht Vermittlung durch einen Arzt – letzteres gibt es aus gutem Grund nirgends. Trotzdem soll sich, wie auf der Vertreterversammlung der KV Sachsen am 19. Mai 2021 beschlossen, die Möglichkeit einer telefonischen Beratung (bisher am Mittwoch und Freitag 14–19 Uhr sowie am Wochenende / Feiertag / Brückentag 7–19 Uhr) zukünftig auf die gesamte Zeit des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes erstrecken (in den zusätzlichen Zeiten dann allerdings von zuhause aus).
Sie kritisieren die Regelung in der Bereitschaftsdienstordnung der KV Sachsen, dass der Bereitschaftsdienstarzt verpflichtet ist, alle von der KV Sachsen vermittelten Hausbesuche durchzuführen. Diese Verfahrensweise wird grundsätzlich praktiziert, schließt aber nicht aus, im Einzelfall Rückfragen zu den Vermittlungsaufträgen bei der Ärztlichen Vermittlungszentrale zu stellen. Sie mögen diese Festlegung als sehr restriktiv empfinden, die KV Sachsen hat die Entscheidung für diesen Vermittlungsablauf aufgrund wiederholter Patientenbeschwerden getroffen, weil Ärzte Einsätze „abtelefoniert“ hatten, auch in Fällen, in denen ein Hausbesuch angezeigt war. Dabei kam es auch bereits in einem Fall zu einem letalen Verlauf. Ein Organisationsverschulden der KV Sachsen ist dann nicht auszuschließen.
Ihre Hinweise zur Ausstattung der Fahrzeuge im Bereitschaftsdienst werden aufgenommen und in die Evaluation einfließen. Die Fahrzeuge sind mit einer Notfalltasche und einem halbautomatischen Defibrillator ausgestattet. Das Intubationsbesteck für Säuglinge wurde von der Bereitschaftsdienst-Kommission für erforderlich gehalten, wobei hierzu vielleicht noch nicht das letzte Wort gesprochen ist.
Der Arzt ist dazu angehalten, seine persönliche Arzttasche zum Hausbesuchsdienst mitzubringen, in der die für erforderlich gehaltenen Medikamente inklusive des bevorzugten Standardantibiotikums enthalten sein sollten. Die formal richtige Vorgehensweise bezüglich der nicht dem Sprechstundenbedarf unterfallenen Medikamente ist für den Ausnahmefall, dass weder der Patient noch ein Angehöriger die Apotheke aufsuchen kann, das Ausstellen eines Rezeptes auf den Namen des Patienten und spätere Einlösen dieses in einer Apotheke, was allerdings auch eventuell ein Kassieren des Zuzahlungsbetrages (der in diesen Fällen sicher immer bei fünf Euro liegen sollte), bedeutet. Alternative Vorgehensweisen sind natürlich möglich …
Zu Ihrer Kritik, dass hochpreisige Fahrzeuge im Einsatz sind, ist anzumerken, dass die konkrete Fahrzeugauswahl durch den Fahrdienstleister getroffen wird. Die KV Sachsen gibt in der Ausschreibung einen Ausstattungsstandard vor, der zu erfüllen ist, trifft jedoch keine Festlegung zu Herstellerfirmen bzw. Preissegment.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die drei konkreten Hausbesuchsfälle (und damit auch relativ typischen Konstellationen) doch sehr differenziert zu bewerten sind:
In einem Fall gibt es absehbar eine Lösung, im zweiten Fall kann der eigentliche Missbrauch momentan nicht verhindert werden, im dritten Fall gibt es keinen wirklichen Änderungsbedarf.
Ich hoffe mit dieser Antwort zumindest einige Ihrer Fragen geklärt zu haben, danke für Ihr diesbezügliches Engagement und wäre für weitere sachbezogene Anregungen dankbar.
Mit freundlichen kollegialen Grüßen
Klaus Heckemann
Vorstandsvorsitzender
Strukturierte medizinische Ersteinschätzung – Entscheidungsfindung in der Ärztlichen Vermittlungszentrale
Sie finden den Artikel mit Grafiken und Tabellen im oberen Bereich dieser Seite als PDF „Download des Artikels“.
Unsere Mitarbeiter der Ärztlichen Vermittlungszentrale sind täglich mit vielfältigen Erwartungen konfrontiert, wobei zum Teil auch konträre Zielstellungen vorgegeben sind. Zum einen steht die Versorgung und Sicherheit der Patienten im Vordergrund und zum anderen sollten alle an der Patientenversorgung beteiligten Strukturen ressourcenschonend eingesetzt werden. An die Mitarbeiter wird die Anforderung gestellt, einerseits eine optimale Vermittlung vorzunehmen und andererseits in jedem Fall eine rechtssichere Entscheidung zu treffen.
1. Gesetzlicher Auftrag
Mit dem Inkrafttreten des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) am 11. Mai 2019 wurde eine Rechtsgrundlage für die Anwendung eines einheitlichen Ersteinschätzungsverfahrens durch die KVen geschaffen. Konkret wurden die KVen nach § 75 Abs. la S. 3 Nr. 3 SGB V verpflichtet, als Teil ihres Sicherstellungsauftrages, spätestens seit dem 1. Januar 2020 rund um die Uhr mindestens telefonisch für Versicherte mit akuten Beschwerden erreichbar zu sein.
Der Patient muss dann auf Basis eines einheitlichen Ersteinschätzungsverfahrens an ein angemessenes Versorgungsangebot weitervermittelt werden. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) ist gemäß § 75 Abs. 7 Nr. 5 und 6 SGB V verpflichtet, das Angebot und insbesondere das Verfahren der Ersteinschätzung durch Richtlinien zu regeln. In der Richtlinie-Ersteinschätzungsverfahren vom 17. Juli 2019 hat die KBV das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland (Zi) verpflichtet, den KVen SmED als einheitliches Ersteinschätzungsverfahren zur Verfügung zu stellen.
SmED sieht derzeit vier Dringlichkeitsstufen und vier Versorgungsebenen vor. Daraus ergeben sich die in } Tabelle 1 dargestellten neun Endpunkte. Der Gesetzgeber hat mit dem TSVG auch die Aufgaben der Terminservicestellen der KVen erweitert. Diese sollen auch für Akutfälle kurzfristige Termine in Vertragsarztpraxen vermitteln, wenn dies aufgrund der Ersteinschätzung indiziert ist. Der Begriff Akutfall bezieht sich hierbei auf Versicherte mit Beschwerden, die innerhalb von 24 Stunden ärztlich behandelt werden müssen.
2. Entwicklung
Grundlage ist das seit Jahren in der Schweiz etablierte evidenzbasierte Verfahren SMASS (Swiss Medical Assessment System), das u. a. auf das Projekt und die Publikation Red Flags des Instituts für Hausarztmedizin der Universität Bern zurückgeht und in das jahrelange Erfahrungen in der Telefon-Triage bzw. Telemedizin eingeflossen sind. Im Auftrag des Zi wurde das Verfahren unter dem Namen SmED für den Einsatz in Deutschland angepasst und weiterentwickelt. Zur Unterstützung dieser Aufgabe hat das Zi einen medizinischen Beirat einberufen, in dem neben Vertretern der niedergelassenen Haus- und Fachärzte auch Vertreter von Ärztekammern, des Marburger Bundes sowie Vertretern der Deutschen Gesellschaft Interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin e. V. (DGINA) und der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin e. V. (DIVI) tätig sind. Partner des Zi ist die Health Care Quality Systems (HCQS) GmbH, Göttingen, ein Joint Venture des aQua-Instituts, Göttingen und der Schweizer in4medicine AG, Bern.
SmED ist ein Medizinprodukt der Klasse I. Es wird gemäß europäischer Medizinprodukterichtlinien entwickelt, ist beim Schweizerischen Heilmittelinstitut swissmedic registriert und trägt das CE-Kennzeichen. Die Anwendung setzt gemäß MPBetreibV eine ausreichende Qualifikation bzw. Berufserfahrung sowie eine Schulung in der Nutzung von SmED voraus.
Die Mitarbeiter der Ärztlichen Vermittlungszentrale verfügen über eine abgeschlossene Ausbildung im medizinischen Bereich. Der Einsatz von Medizinstudenten erfolgt ab dem 5. Fachsemester mit nachgewiesenen Famulaturen auf der Intensivstation, der ZNA oder im Rettungsdienst. Abbildung 1
3. SmED in der täglichen Anwendung
SmED berücksichtigt derzeit 100 Leitbeschwerden. Alle Fragen, die im Zusammenhang mit dem dokumentierten Alter und Geschlecht und dem gewählten Leitsymptom relevant sind, erscheinen üblicherweise in einer Prioritätenansicht als Liste, wobei die Fragen absteigend nach Dringlichkeitsstufen geordnet sind.
Die Fragen sind farbcodiert und weisen dadurch auf die damit angesprochene Dringlichkeitsstufe hin. Fragen, aus denen ein Notfall resultieren könnte, sind rot codiert, eine schnellstmögliche ärztliche Behandlung orange, eine ärztliche Behandlung binnen 24 Stunden gelbgrün. Auf einen Blick sieht der Mitarbeiter, wie viele Fragen und welche Antwortoptionen zum Erkennen einer hohen Dringlichkeit notwendig sind.
Eine weitere Menüleiste erlaubt es, Begleitbeschwerden hinzuzunehmen. Das kann sich auf die Art und die Reihenfolge der Fragen in der Prioritätenansicht auswirken. So kann auch zu einem späteren Zeitpunkt im Gesprächsverlauf noch ein Warnzeichen auf eine höhere Behandlungsdringlichkeit erkannt werden. Die Dokumentation anhand der Antwortoptionen muss nicht in der angezeigten Reihenfolge der Fragen erfolgen. Das System unterstützt somit einen offenen Gesprächsverlauf. In der Regel sind es jedoch wenige Fragen, die zur Identifikation einer höheren Behandlungsdringlichkeit führen.
Ist eine Empfehlung für eine bestimmte Dringlichkeit erreicht, wird diese durch ein Icon in der Titelzeile angezeigt. Das Icon gibt jeweils die Empfehlung mit der bei gegebenem Alter, Geschlecht, Beschwerden und abgegebenen Antworten höchstmöglichen Dringlichkeit an. Zudem wird die Empfehlung für die Versorgungsebene durch das Icon angezeigt. Ist hier etwa ein Notfall oder schnellstmögliche ärztliche Behandlung in der Notaufnahme erreicht, kann der Mitarbeiter die Befragung beenden. Ebenso kann die Befragung beendet werden, wenn eine vertragsärztliche Behandlung noch heute empfohlen wird und keine höherrangigen Fragen (diese müssten orange eingefärbt sein) in der Liste enthalten sind.
Eine Diagnose wird durch SmED nicht gestellt. Das bleibt weiterhin der ärztlichen Untersuchung vorbehalten. Die Mitarbeiter der Ärztlichen Vermittlungszentrale erhalten durch SmED eine Empfehlung zur Dringlichkeitsstufe und zur geeigneten Versorgungsebene für die Beschwerden des Patienten als Entscheidungsgrundlage für ihre weiteren Veranlassungen. Es handelt sich jedoch nur um eine Entscheidungshilfe. In begründeten Fällen kann davon abgewichen werden.
SmED wird kontinuierlich weiterentwickelt. Unter anderem werden abweichende Dispositionsentscheidungen durch das Zi gesammelt und ausgewertet, um eventuellen Überarbeitungsbedarf in SmED zu ermitteln. Ziel ist es, den nach Ersteinschätzung und Vermittlung behandelnden Ärzten künftig den SmED-Befund zur Kenntnis zu geben. Zudem wird das Zi in Kürze analog zu CIRS ein anonymes Meldesystem Akutversorgung auf den Weg bringen, in dem alle an der Versorgung von Akutpatienten Beteiligten Eintragungen vornehmen können, die zu einer Verbesserung der Ersteinschätzung und / oder Vermittlung von Versorgungsangeboten auf Grundlage einer Ersteinschätzung beitragen können.
Die Versorgungsebene „Arzt“ umfasst alle Vermittlungen im Bereich Akutterminvermittlung, Vermittlung in Bereitschaftspraxen und Vermittlung in den Fahrdienst.
Die KV Sachsen hat im Bundesdurchschnitt eine überdurchschnittlich hohe Quote der Versorgungsebene Rettungsdienst (Abbildung 2). Hier werden mittelfristig genaue Analysen erfolgen, worin dies begründet ist.
– Ärztliche Vermittlungszentrale / rau in Zusammenarbeit mit Dr. Dominik von Stilllfried (Zi) –