Trotz stressiger Prüfungszeit das Studentenleben genießen – ein Erfahrungsbericht aus Pécs
Vor einem Jahr standen die beiden jungen Abiturientinnen mitten im Auswahlprozess für das Modellprojekt „Studieren in Europa – Zukunft in Sachsen“, nun haben sie bereits ihr erstes Semester an der Universität Pécs erfolgreich absolviert. Die beiden Medizinstudentinnen Jessica Theisen aus Riesa und Annika Bauer aus Trebsen / Mulde berichteten der KV Sachsen, wie sie zum Modellprojekt gekommen sind und wie sie das erste Semester an der ungarischen Universität erlebt haben.
Traumberuf Hausärztin
„Mein Traum ist es, Medizin zu studieren. Seit meiner frühesten Kindheit wünsche ich mir nichts anderes“, schrieb Jessica Theisen in ihrer Bewerbung. Die damals 20-Jährige ist fasziniert vom menschlichen Körper und dessen Funktionsweise. Während ihrer Praktika, dem Freiwilligen Sozialen Jahr im Elblandklinikum in Meißen und ihrer begonnen Ausbildung zur Rettungssanitäterin konnte sie vielfältige Erfahrungen im Gesundheitswesen sammeln. Und spätestens beim Praktikum bei ihrer Hausärztin wusste Jessica Theisen, dass der Hausarztberuf genau das Richtige für sie ist. „Der Kontakt mit den Patienten und die Beschäftigung mit medizinischen Sachverhalten hat sich richtig angefühlt. Ich kann es kaum noch erwarten, das Studium zu beginnen. Bitte geben Sie mir die Chance dazu!“, schrieb sie in ihrer Bewerbung.
Annika Bauer bereitete sich zur Bewerbungsphase gerade auf die Abiturprüfungen vor. Ihre Motivation, Hausärztin zu werden, entstand durch eine familiäre Krankheitsgeschichte. So hat sie erfahren, wie lebenswichtig ärztliche Hilfe sein kann. Deshalb möchte sie Menschen helfen und Ärztin werden.
Während Jessica Theisen auf ihrer Recherche zu Alternativen für ein Medizinstudium in Deutschland, für welches ihr Abiturdurchschnitt leider nicht ausreichte, den entscheidenden Hinweis auf das Modellprojekt „Studieren in Europa – Zukunft in Sachsen“ von einer Beraterin der Bundesagentur für Arbeit erhielt, erfuhr Annika Bauer durch ihre Großeltern vom Modellprojekt. „Meine Großeltern haben eines Abends aufgeregt angerufen, sie hätten im Teletext gelesen, dass die KVS ein Stipendium anbietet.“ Nachdem sich die damalige Zwölftklässlerin gemeinsam mit ihren Eltern über das Modellprojekt informiert hatte, stand für sie sofort fest, sie wird sich bewerben.
Der Auswahlprozess
Nicht viel später gingen das geforderte Motivationsschreiben, der Lebenslauf und Zeugnisse bei der KV Sachsen ein. Den schriftlichen Auswahltest meisterten die beiden trotz Aufregung sehr gut und kamen unter die besten 80 Bewerber, die zu den Auswahlgesprächen eingeladen wurden. Während der Großteil der Gespräche aufgrund der Corona-Pandemie per Videokonferenz stattfinden musste, hatten Jessica Theisen und Annika Bauer ihre Interviews noch vor Ort in der Landesgeschäftsstelle der KV Sachsen. Dann begann das „Hoffen und Bangen“. Als nach der separat erforderlichen Bewerbung für einen Medizinstudienplatz an der Universität Pécs nun der Zulassungsbescheid zum Medizinstudium im Sommer 2020 kam, war die Freude der beiden Bewerberinnen riesengroß. Da kullerte schon die ein oder andere Freudenträne. Annika Bauer erzählte es natürlich sofort ihren Großeltern, denn nur durch sie hatte sie ja von dieser Chance eines Medizinstudiums direkt im Anschluss an ihr Abitur erfahren.
Die Vorbereitungen auf das Studium
Viel Zeit blieb für die angehenden Medizinstudentinnen nun nicht mehr, um sich um eine Wohnung in Pécs zu kümmern. Familie und Freunde halfen bei der Suche und so fand Annika Bauer durch Bekannte eine Wohnung. Jessica Theisen war bei Facebook erfolgreich und wohnt nun in einer WG mit einer Kommilitonin gleich neben der Universität.
Bei der Auftaktveranstaltung im Modellprojekt „Studieren in Europa – Zukunft in Sachsen“ am 20. August 2020, bei dem neben dem Vorstand der KV Sachsen auch die sächsische Sozialministerin Petra Köpping den Jahrgang 2020 / 21 begrüßte, hatten die jungen Abiturientinnen genügend Zeit, ihre „KV-Kommilitonen“ kennenzulernen. Auch den Vortrag eines erfahrenen Studenten empfanden die beiden aufgrund der Informationen zur Universität, den Lehrveranstaltungen und Prüfungsbedingungen, aber auch Praxistipps zu Einkaufsmöglichkeiten, Taxiunternehmen und Copy-Shop-Empfehlungen als sehr hilfreich.
Über Bayern, Graz und durch das südliche Danubien ging es für Annika Bauer dann voll gepackt mit Bekleidung, Geschirr, Drucker, alten Medizinbüchern und Fahrrad nach Pécs. Ihr Vater half ihr beim Umzug und Herrichten der Wohnung. Und dann begann der neue Lebensabschnitt Studium.
Die ersten Studienwochen zu Corona-Zeiten
In den ersten Wochen fanden die meisten Veranstaltungen aufgrund der Corona-Pandemie nur online statt. Die „Ersti-Woche“ und das Ablegen des Medizinischen Eids hatte sich Annika Bauer anders vorgestellt. So blieb das persönliche Kennenlernen mit den Kommilitonen aus. Einige Veranstaltungen, wie Praktika in Physik oder Chemie, konnten dann aber doch noch in Präsenz stattfinden. Auch einige Treffen im Park mit anderen Teilnehmern des Modellprojekts ließen den Zusammenhalt der Studierenden wachsen. Es dauerte jedoch nicht lang, bis auch der Lockdown in Ungarn die Studierenden wieder aus der Universität in ihre Wohnungen verdrängte.
Fleißig gelernt hatten Jessica Theissen und Annika Bauer von Anfang an, zum Beispiel für das erste Chemie-Testat, bei dem gleich 170 Formeln auswendig gelernt werden mussten. Neben den Vorbereitungen auf die Testate war es aber auch wichtig, beispielsweise in den Fächern Anatomie und Histologie kontinuierlich zu lernen. Dabei halfen ein gutes Zeitmanagement und der wiederentdeckte Mittagsschlaf bei Annika Bauer.
Die erste Prüfungsphase an der Medizinischen Fakultät der Universität Pécs
An die 14 Wochen Vorlesungen und Seminare schloss sich direkt die siebenwöchige Prüfungsphase an, die die zwei Studentinnen sehr unterschiedlich verbrachten. Während Jessica Theissen größtenteils in ihrer sächsischen Heimat Riesa lernte und auch die Online-Prüfungen von Deutschland aus ablegte, blieb Annika Bauer ihre gesamte Prüfungszeit über in Pécs.
Die Prüfungstermine werden an der ungarischen Universität von den Studierenden selbst geplant. Dies bedeutet einerseits eine große Flexibilität, denn die Studierenden können frei wählen, für welches Fach sie wann und wie lange lernen möchten. Andererseits sind dabei aber auch ein großes Organisationstalent und eine realistische Einschätzung des eigenen Lernverhaltens gefragt. Werden Prüfungen beim ersten Versuch nicht gleich bestanden, haben sie die Möglichkeit, die Prüfungen bis zu zweimal in der gleichen Prüfungsperiode zu wiederholen. So müssen andere Prüfungen gegebenenfalls verschoben und Lernpläne umgeplant werden. Annika Bauer und Jessica Theisen haben ihre erste Prüfungsphase sehr gut gemeistert und alle Pflichtprüfungen des ersten Semesters bestanden, wenn auch manchmal etwas knapp. So berichtete Annika Bauer von ihrer Histologie-Prüfung, bei der ihre Prüferin das Ergebnis mit „Ihr erstes und letztes Prüfungsthema waren grauenvoll, aber beim zweiten konnten Sie glänzen.“ beurteilte.
Dass nicht alle Medizinstudierende so erfolgreich die Prüfungsphasen überstehen wie Jessica Theisen und Annika Bauer, zeigen die Durchfallquoten und Wiederholungssemester bzw. generell die Zahl der Absolventen, denn einige der 170 Medizinstudierenden eines Jahrgangs im deutschsprachigen Studiengang der Humanmedizin an der Universität Pécs scheitern am Physikum.
Spurlos ging die Prüfungszeit auch an den beiden Studentinnen nicht vorbei. „Zum Ende hin hat man gemerkt, dass man einfach fertig war. Ich hatte Probleme, über einen längeren Zeitraum hinweg zu lesen und habe immer größere Pausen gebraucht“, berichtete Annika Bauer. Jessica Theisen beschrieb die Prüfungszeit als sehr stressig, nervenaufreibend und als emotional schwer. „Ich war auch manchmal kein einfacher Mensch. Ich bin froh, dass meine Familie das ausgehalten hat“, erzählte sie im Interview. Dank ihrer Familie konnte sich die junge Studentin voll und ganz auf das Lernen konzentrieren, nicht selten bis spät in die Nacht hinein. Annika Bauer nutzte die Lernpausen zum Kochen oder Einkaufen – „dem Highlight, um mal raus zu kommen“, wie sie berichtete. Ihre Familie vermisste sie während dieser langen Zeit auch, vor allem zu Weihnachten, das sie aufgrund der Prüfungszeit ebenfalls in Pécs verbrachte.
Kurze Ferien und Start in das neue Semester
Nachdem Annika Bauer ihre erste Prüfungsphase erfolgreich absolviert hatte, reiste sie mit einer Freundin nach Budapest und nutzte die restlichen zwei Wochen für den langersehnten Familienbesuch in Sachsen. Auch Jessica Theisen verbrachte noch einmal Zeit mit ihrer Familie und hat „vor allem mal wieder viel geschlafen“.
Nun sind die beiden jungen Studentinnen bereits in ihr zweites Semester der Humanmedizin an der Universität Pécs gestartet. Sie belegen Fächer wie Anatomie 2, Einführung in die Biochemie und Biometrie – meist wieder online. Eines haben sich beide Studentinnen für das neue Semester vorgenommen: noch mehr bereits während des Semesters zu lernen bzw. zu verstehen, damit sie „nicht mehr bis nachts um zwei lernen“ müssen.
Zu wünschen bleibt den beiden Teilnehmerinnen im Modellprojekt „Studieren in Europa – Zukunft in Sachsen“ auch, dass sie bald auch die Möglichkeit haben, das typische Studentenleben zu genießen und – wie es sich Annika Bauer gewünscht hat – „mal ausgehen“ zu dürfen.
Informationen
Der modernste Campus des Landes – neue Gebäude der Medizinischen Fakultät in Pécs
Derzeit studieren mehr als 3.500 junge Leute aus 67 Nationen an der Medizinischen Fakultät der Universität Pécs in ungarischen, deutschen und englischen Programmen. Die Fakultät verfügt über 19 theoretische Institute und 28 Kliniken mit mehr als 500 Ärzten, Forschern und Experten.
Der Campus, der einer umfassenden Erneuerung unterzogen wird, befindet sich im Herzen von Pécs, in einem 7.700 Quadratmeter großen, modernen Forschungsgebiet, wo Medizin-, Zahnmedizin- und Pharmaziestudenten gemeinsam studieren. Ein 13.000 Quadratmeter großes Bibliotheks- und Wissenszentrum hilft, den Wissenshunger zu stillen.
Im Geiste der Wettbewerbsfähigkeit, der Verbesserung der Ausbildungsqualität, der Innovation und der Schaffung eines inspirierenden Umfelds wurden an der Medizinischen Fakultät der Universität Pécs enorme Erneuerungen vorgenommen.
Das Flaggschiff dieses Projekts ist das neue Theoretische Gebäude von 15.000 Quadratmetern, das den Erwartungen der Studierenden des 21. Jahrhunderts angepasst ist: Es wird mit Smart-Technologien ausgestattet sein, mit kommunikationstechnischen Geräten, mit hochmoderner „SKILL“-Umgebung, die die Studierenden auf die praktische Ausbildung vorbereitet. Neben vier großen Hörsälen gibt es 34 Seminarräume, unter denen auch spezialisierte Studentenlabors eingerichtet wurden.
Das neue Theoretische Gebäude ist der erste wichtige Meilenstein bei der Erneuerung der Infrastruktur der Medizinischen Fakultät, und weitere sollen folgen. Die grundlegende Erneuerung des gesamten Campus ist in vollem Gange, damit Studierende aus aller Welt in einer der modernsten, innovativsten und inspirierendsten Universitäten empfangen werden können.
– Nach Informationen der Universität Pécs –