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Datenschutz in der Arztpraxis – Vorsicht, Fettnäpfchen!

Das tägliche Pensum in einer laufenden Praxis und der zusätzliche Aufwand mit Datenschutz und Schweigepflicht sind häufig nur schwer miteinander vereinbar. Diesem Reizthema sollte man sich stellen, um gravierende und ggf. teure Fehler zu vermeiden. Der folgende Beispielfall zeigt, wie schnell ein Heilberufler in juristische Schwierigkeiten geraten kann.

Das Amtsgericht Pforzheim hatte in einer zivilrechtlichen Entscheidung vom 25. März 2020 einen Psychotherapeuten verurteilt, an den Ehemann seiner Patientin 4.000 Euro Schadenersatz zu bezahlen.

Was war passiert?

Die Patientin war bei dem beklagten Psychotherapeuten in Behandlung. Ende August kam es zwischen dem Ehemann der Patientin und dem Psychotherapeuten in dessen Praxis zu einem Gespräch. Die Patientin war während des Gespräches nicht anwesend.

Später kam es zur Trennung zwischen den Eheleuten. Der Ehemann leitete ein Umgangsverfahren beim Familiengericht wegen der gemeinsamen Kinder ein. Der Psychotherapeut übermittelte dem Rechtsanwalt seiner Patientin ein Schreiben. In diesem Schreibens ging es auch um das Gespräch zwischen dem Ehemann der Patientin und dem Psychotherapeuten. Unter anderem führte der Therapeut in seinem Brief aus: „Der Termin wurde meinerseits als Sprechstunde behandelt, in welcher unser Berufsstand unter anderem in 25 Minuten entscheiden muss, welche Diagnose zu vergeben ist. Das war aufgrund des Auftretens von Herrn B. sofort möglich, die Diagnose für Herrn B. lautet eindeutig narzisstische Persönlichkeitsstörung (ICD 10 F 60.8)“ Der Therapeut erhob auch einen psychischen Befund über den Ehemann, der ebenfalls in dem Schreiben enthalten ist. Darüber hinaus hat der Psychotherapeut in dem Brief auch Hinweise der Patientin zum Drogen- und Alkoholkonsum ihres Ehemannes und zur Notwendigkeit einer Behandlung des Ehemannes gegeben.

Der Anwalt der Patientin legte das Schreiben des Psychotherapeuten im Umgangsverfahren beim Familiengericht vor. Damit war der Ehemann nicht einverstanden und forderte in dem hier zu erörternden Zivilverfahren vom Psychotherapeuten immateriellen Schadenersatz nach den Regeln der DSGVO (Datenschutzgrundverordnung).

Das Amtsgericht verurteilte den Psychotherapeuten zur Zahlung von Schadenersatz in Höhe von 4.000 Euro gemäß Art. 82 DSGVO. Das Gericht wies darauf hin, dass der Psychotherapeut entgegen Artikel 9 DSGVO Gesundheitsdaten des Ehemannes der Patientin verarbeitet hätte. Der Richter verwies darauf, dass auch eine Übermittlung von Daten an einen Dritten (hier an den Rechtsanwalt der Patientin) eine Verarbeitung von Daten sei. Bei der Übermittlung der Angaben zur Diagnose, zum Alkoholmissbrauch und zur Notwendigkeit einer Behandlung des Ehemannes der Patientin handele es sich um eine Übermittlung von Gesundheitsdaten.

Ausnahmetatbestände hat das Amtsgericht nicht anerkannt. Eine Einwilligung des Ehemannes der Patientin lag nicht vor. Der Ehemann war auch nicht der Patient des Therapeuten. Die Übermittlung der Daten habe auch nicht dem Zwecke der Gesundheitsvorsorge gedient, sondern sollten im Umgangsverfahren zwischen den Eheleuten beim Familiengericht Berücksichtigung finden. Anhaltspunkte für eine konkrete Gefährdung der Patientin und der Kinder lagen offenkundig nicht vor. Das Gericht wies darauf hin, dass die Ausführungen zur Persönlichkeitsstörung des Ehemannes und dessen Konsum von Alkohol geeignet seien, das Bild des Ehemannes gegenüber Dritten erheblich negativ zu beeinträchtigen. Auch seien die Ausführungen im Rahmen des Umgangsverfahrens besonders sensibel.

Es sieht so aus, dass der Therapeut in seinem Brief an den Anwalt seiner Patientin ganze Auszüge seiner Dokumentation an den Anwalt seiner Patientin weitergegeben hatte. Ihm war sicher klar, dass der Anwalt seiner Patientin die Stellungnahme an das Familiengericht weiterleitet. Solche Stellungnahmen müssen zur Wahrung des rechtlichen Gehörs auch der Gegenpartei – hier dem Ehemann – zugänglich gemacht werden. Der Ehemann der Patientin wehrte sich letztlich erfolgreich gegen die Vorgehensweise des Psychotherapeuten.

Auffällig sind hier bei der Bewertung des Urteils insbesondere zwei Aspekte:

Zum einen erweckt das Schreiben des Psychotherapeuten an den Anwalt seiner Patientin zum Teil den Eindruck, als habe er auch ein Behandlungsverhältnis mit dem Ehemann der Patientin begründet. Das war laut Urteil aber nicht der Fall und wäre aus hiesiger Sicht aus anderen Gründen durchaus problematisch. Zum anderen muss der Therapeut bei der Weitergabe von Informationen seines Patienten an Dritte (hier den Anwalt/an das Familiengericht) vorsichtig sein, soweit andere Personen (hier der Ehemann der Patientin) betroffen sind. Hier wusste der Therapeut offenkundig, dass sein Brief dem Familiengericht zugeleitet wird. Vorsicht ist selbst dann geboten, wenn die Ausführungen ausschließlich auf den Angaben des eigenen Patienten beruhen. Gegen das Urteil (das auch noch mit einer Widerklage verknüpft war) wurde von keiner Seite Berufung eingelegt. Damit wurde es rechtskräftig. Es wäre gleichwohl spannend gewesen, die Auffassung des Berufungsgerichtes zu erfahren.

Fazit

Ärzte und Therapeuten müssen in ihre Überlegungen nicht nur die Vorschriften zur ärztlichen Schweigepflicht einbeziehen, sondern auch die Vorschriften der DSGVO im Hinterkopf haben. Wer unsicher ist, sollte sich vorsorglich rechtlich erkundigen. Die Themen Schweigepflicht und Datenschutz spielen auch bei Praxisabgaben eine erhebliche Rolle. Regelungen in alten Musterverträgen sollten nicht ungeprüft übernommen werden.

Informationen

AG Pforzheim, Urteil vom 25. März 2020 – 13 C 16019, BeckRS 2020, 27380

                            – Dr. Jürgen Trilsch, Rechtsanwalt/Fachanwalt für Medizinrecht –