Regionale Analyse zur ambulanten Verordnung von Antibiotika in Sachsen
In Sachsen werden weniger Antibiotika verordnet als im bundesweiten Vergleich, es bestehen jedoch teils deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Landkreisen. Breitspektrum-Antibiotika kommen noch zu häufig zum Einsatz. Fluorchinolon-Verordnungen sind rückläufig, aber immer noch häufiger als im bundesweiten Vergleich.
Im Jahr 2018 wurden in der Bundesrepublik Deutschland systemische Antibiotika mit 11,9 DDD pro 1.000 Einwohner und Tag im ambulanten Bereich deutlich seltener verordnet als im europäischen Vergleich (8,9 bis 32,4 DDD pro 1.000 Einwohner und Tag).
Die Verordnungssituation in Sachsen
Eine aktuelle Analyse des Zi-Versorgungsatlas zeigt, dass die sächsischen Vertragsärzte bereits 2010 eine der bundesweit niedrigsten Antibiotika-Verordnungsraten aufwiesen. Diese wurde bis zum Jahr 2018 um weitere 26 Prozent reduziert und betrug dann 336 Verordnungen pro 1.000 Versicherte und Jahr. Nur im Bereich der KV Brandenburg wurden noch etwas weniger Antibiotika verordnet, während sich im Westen Deutschlands ein Hochverbrauchscluster mit bis zu 572 Verordnungen pro 1.000 Versicherte und Jahr findet. Sachsen ist der einzige KV-Bereich, der in allen Altersgruppen besonders niedrige Antibiotika-Verordnungsraten aufweist. Das zeigt eindrücklich, dass die sächsischen Vertragsärzte sehr verantwortungsvoll bei der Verordnung von Antibiotika vorgehen.
Antibiotika-Verordnungen erfolgen vorrangig durch Haus-, Kinder- und HNO-Ärzte sowie Urologen und Gynäkologen. Im Bereich der KV Sachsen verordnen die genannten Fachgruppen wie folgt:
Tabelle 1
Antibiotika-Verordnungen in Sachsen bezogen auf die Fallzahlen im Verordnungsjahr
Fachgruppe | Antibiotika-Verordnungen | |
2018 | 2019 | |
Kinderärzte | 83,8* | 78,7 |
Allgemeinmediziner und Praktische Ärzte | 83,8 | 74,9 |
Urologen | 75,7 | 72,2 |
Hausärztliche Internisten | 65,2 | 59,4 |
HNO-Ärzte | 56,8 | 50,9 |
Gynäkologen | 20,0 | 18,4 |
* Die Bezugsgröße sind hier die Fallzahlen, während im Zi-Versorgungsatlas die Bevölkerungsstatistik KM6 zugrunde gelegt wurde
Es bestehen jedoch deutliche regionale Unterschiede. Über alle Fachgruppen erkennt man den Erzgebirgskreis, Mittelsachsen, die Stadt Chemnitz sowie den Landkreis Bautzen mit vergleichsweise höheren Antibiotika-Verordnungsmengen.
Eine detaillierte Analyse nach Wirkstoffgruppen zeigt, dass bundesweit Basispenicilline und Cephalosporine am häufigsten verordnet wurden. Sachsen ist neben Brandenburg der einzige KV-Bereich, in dem für alle Wirkstoffgruppen die Verordnungsraten unterhalb des Bundesdurchschnitts liegen. Es werden jedoch Makrolide im Vergleich zu den anderen Wirkstoffgruppen häufiger verordnet und übertreffen die Cephalosporine sowie die Basispenicilline deutlich (Abbildung im Download des Artikels 1).
Betrachtet man das Verhältnis der verordneten Breitspektrum-Antibiotika im Vergleich zu erregerspezifischeren Antibiotika, so betrug dieses im Jahr 2018 in Deutschland 2,6 und lag unterhalb des EU-Durchschnitts. In Skandinavien und Großbritannien werden Breitspektrum-Antibiotika deutlich zurückhaltender als in der Bundesrepublik eingesetzt, während der Gebrauch dieser Antibiotika in Süd- und Südosteuropa wesentlich höher ist. In Sachsen wurden – wie in den anderen neuen Bundesländern – mehr Breitspektrum-Antibiotika eingesetzt als im Bundesdurchschnitt, der Faktor betrug hier 3,6.
Antibiotika-Verordnungen im pädiatrischen Bereich
Betrachtet man die einzelnen Fachgruppen, gibt es deutliche regionale Unterschiede. Bei Kinderärzten als Fachgruppe mit den meisten Antibiotika-Verordnungen pro 1.000 Patienten werden im Landkreis mit der höchsten Verordnungsrate (Mittelsachsen) etwa doppelt so viele Antibiotika verordnet wie im Bereich mit der niedrigsten (Dresden) (Abbildung im Download des Artikels 2). Auch innerhalb der Landkreise unterscheiden sich die einzelnen Praxen bei den Antibiotika-Verordnungen teils deutlich.
Bei den Antibiotika-Vielverordnern ist zu hinterfragen, ob tatsächlich so viel mehr bakterielle Erkrankungen auftraten, die antibiotisch behandlungsbedürftig waren. Umgekehrt ist erstaunlich, dass einige Praxen weitgehend ohne Antibiotika therapieren.
Die sächsischen Kinderärzte setzen bei knapp der Hälfte der Verordnungen, jedoch immer noch seltener als im Bundesdurchschnitt, Penicilline ein. Ebenfalls unter dem Bundesdurchschnitt liegen die Cephalosporin-Verordnungen, während doppelt so häufig Makrolide verordnet werden (Abbildung im Download des Artikels 3). Bei letzteren wird deutlich häufiger als in anderen KV-Bereichen Erythromycin eingesetzt (ca. 40 Prozent der Makrolid-Verordnungen – Bundesdurchschnitt 32,5 Prozent), das ein weniger breites Wirkspektrum als andere Makrolide aufweist.
Die zurückhaltende Verwendung von Cephalosporinen ist begrüßenswert. In Skandinavien beispielsweise werden diese im ambulanten Bereich als potentieller Treiber von Resistenzen kritisch gesehen und selten verwendet. Dagegen sind die hohen Verordnungsraten der Makrolide als Breitspektrum-Antibiotika zu hinterfragen. Erfreulicherweise sind die Verordnungsanteile beider Wirkstoffklassen in den vergangenen Jahren weiter rückläufig (Abbildung im Download des Artikels 4).
Antibiotika-Verordnungen im hausärztlichen Bereich
Bei den Allgemeinmedizinern, die beinahe so viele Antibiotika-Verordnungen pro 1.000 Patienten tätigen wie Kinderärzte, ergeben sich ebenfalls Unterschiede bei den Verordnungsraten zwischen den einzelnen Landkreisen. Diese fallen allerdings geringer aus als bei den Kinderärzten und sind mit denen der hausärztlichen Internisten vergleichbar (Abbildung im Download des Artikels 5).
Bei den Allgemeinmedizinern ist ebenso wie bei den Kinderärzten die bevorzugte Verwendung der Makrolide in allen neuen Bundesländern erkennbar, die in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern sogar die der Penicilline übertrifft. Darüber hinaus werden in den neuen Bundesländern noch vergleichsweise häufig Fluorchinolone verordnet, Sachsen hat mit 12,4 Prozent den höchsten Verordnungsanteil (Abbildung im Download des Artikels 6).
In den vergangenen Jahren, spätestens seit dem Rote-Hand-Brief vom Frühjahr 2019, sind die Fluorchinolon-Verordnungen jedoch deutlich zurückgegangen (Abbildung im Download des Artikels 7).
Das Verhältnis von Breitspektrum- zu Schmalspektrum-Antibiotika lag 2018 bei Allgemeinmedizinern in Sachsen bei 3,9 sowie bei hausärztlichen Internisten bei 3,7 und war damit bundesweit am höchsten (Bremen 1,5 – Bundesdurchschnitt 2,6).
Informationen AnTiB-Empfehlungen
www.uni-bielefeld.de / gesundhw / ag2/antib Verordnungsforum der KV Baden-Württemberg
www.kvbawue.de > Presse > Publikationen > Verordnungsforum Themenseite der KBV zu Antibiotika
Perspektiven der Infektiologie
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Fazit
In Sachsen sind die Ärzte im ambulanten Bereich durch den zurückhaltenden Einsatz von Antibiotika auf einem sehr guten Weg. Wünschenswert ist, dass nicht notwendige Verordnungen weiter reduziert werden, ohne auf den Einsatz der Antibiotika im begründeten Fall zu verzichten.
Es werden in Sachsen noch zu häufig Breitspektrum-Antibiotika verordnet. Der Fokus sollte daher auf der Wirkstoffauswahl liegen mit folgenden Zielen:
- Fluorchinolone nur bei positivem Nutzen-Schaden-Profil verordnen unter Berücksichtigung möglicher schwerwiegender Nebenwirkungen wie Hepatotoxizität, Verlängerung der QT-Zeit, Tendopathien
- Cephalosporine, vor allem schlecht oral bioverfügbare wie Cefuroxim, sollten wegen des negativen Effekts auf die Darmflora und Wirkung als Treiber für C. difficile-Infektionen und MRSA-Kolonisation reduziert werden
- Makrolide nur gezielt einsetzen aufgrund zunehmender Resistenzentwicklung und QT-Zeit-Verlängerung als möglicher Nebenwirkung; insbesondere Azithromycin reduzieren (wegen der langen Halbwertszeit bestehen lange Phasen subinhibitorischer Spiegel und führen zur Verstärkung der Resistenzentwicklung)
– Verordnungs- und Prüfwesen / Dr. Cornelia Czupalla –
Start der neuen Heilmittel-Richtlinie verschiebt sich auf 2021
Der zum 1. Oktober 2020 geplante Start der neuen Heilmittel-Richtlinie wird auf den 1. Januar 2021 verschoben. Hintergrund für die Verschiebung ist, dass nicht alle Softwarehäuser rechtzeitig bis zum 1. Oktober 2020 die neuen Vorgaben umsetzen und für die Praxisverwaltungssysteme bereitstellen konnten. Ein entsprechender Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses trat hierzu am 3. September 2020 in Kraft.
Hinweis zu den Formularen 13, 14 und 18
Mit der Verschiebung des Inkrafttretens der neuen Richtlinie behalten die bisherigen Verordnungsformulare 13, 14 und 18 bis zum Jahresende ihre Gültigkeit. Das neue Muster 13, welches dann für die Verordnung sämtlicher Heilmittel gilt, erlangt wie die Richtlinie ab 1. Januar 2021 Gültigkeit.
Online-Fortbildungen der KV Sachsen
Die seitens der KV Sachsen im September geplanten Online-Fortbildungen zu diesem Thema werden auf den November bzw. Dezember 2020 verlegt. Sollten Sie sich für einen der Termine angemeldet haben, wurden Sie bereits mit der Bitte kontaktiert, uns Ihren Wunschtermin für eine neue Veranstaltung mitzuteilen. Eine erneute Anmeldung ist damit nicht mehr notwendig.
Die neuen Termine sind auf der Internetpräsenz der KV Sachsen veröffentlicht und buchbar. Folgende Termine haben wir vorgesehen:
- 11. und 25. November sowie
- 2., 9. und 16. Dezember, jeweils um 15 Uhr
Bei Interesse können Sie sich gern für eine der Veranstaltungen registrieren. Tipp: Grenzen Sie Ihre Veranstaltungssuche mithilfe der Kategorie „Verordnungen“ ein und nehmen Sie nach Möglichkeit an einer für Ihre Bezirksgeschäftsstelle ausgewiesenen Online-Fortbildung teil.
Alle bisherigen Veröffentlichungen der KV Sachsen zur neuen Heilmittel-Richtlinie und zum neuen Muster 13 finden Sie in chronologischer Reihenfolge auf der Internetpräsenz der KV Sachsen.
Für Rückfragen stehen Ihnen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Abteilungen Verordnungs- und Prüfwesen der Bezirksgeschäftsstellen gern zur Verfügung.
Informationen
www.kvsachsen.de > Mitglieder > Verordnungen > Heilmittel
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– Verordnungs- und Prüfwesen / mau –