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Klare Strategie statt Panikmache

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

grundsätzlich ist es sicher sinnvoll, jetzt eine Präventionsstrategie hinsichtlich der Infektsituation für das Winterhalbjahr in den Fokus zu nehmen. So fordert beispielsweise der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) eine auf pädiatrische Belange zugeschnittene und risikoadjustierte Teststrategie des RKI ein. Die sogenannten Fieberambulanzen hält BVKJ-Präsident Dr. Thomas Fischbach für den falschen Weg. „Sie würden unser ganzheitliches Betreuungskonzept sogar empfindlich stören. Vor allem sehr junge Kinder werden verunsichert und verlieren ihr Zutrauen zu Ärzten, wenn sie statt in die vertraute Praxis in eine Fieberambulanz gebracht werden, wo sie auf fremdes Personal treffen“, sagte er. Dem kann ich mich voll und ganz anschließen.

Die KBV präferiert eigene Entscheidungen der KVen in Abhängigkeit von regionalen Gegebenheiten. Als gute Entscheidungsgrundlage sieht die KBV den vom Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung entwickelten Frühindikator einer „Vorwarnzeit“. Hierbei werden anhand der Entwicklung der täglichen Neuinfektionen und der Reproduktionszahl R unterschiedliche Szenarien errechnet. Diese lassen darauf schließen, in welcher Zeit die Belastungsgrenze des Gesundheitswesens erreicht wäre.

Außerdem möchte ich Herrn Walter Plassmann, dem Vorstandsvorsitzenden der KV Hamburg, zustimmen. Dieser hatte sich Ende September in einem Interview mit Focus Online sehr kritisch zu „Corona-Mahnern“ wie Markus Söder, Christian Drosten und Karl Lauterbach geäußert. „Ich habe diese Personen herausgegriffen, weil sie die bekanntesten Gesichter der Corona-Strategie sind. Was mir aufstößt, ist, dass von mehreren Möglichkeiten immer die schlechteste angenommen wird. Es ist immer ganz, ganz schlimm, jüngst ist wieder von einer Schockwelle die Rede gewesen, die angeblich auf uns zukommt. Niemand aber weiß zum Beispiel, ob wirklich eine Grippewelle auf Deutschland zurollt. Durch die Beachtung der AHA-Regeln [Abstand halten – Hygiene beachten – Alltagsmaske, Anm. d. Red.] blieb diese im Frühjahr aus“, wird er zitiert.

Damit wird man nicht gleich zum Corona-Leugner. Auch ich wünsche mir eine seriösere Debatte und eine klare Präventionsstrategie, ohne Panik und Hysterie zu verbreiten. Wir sollten uns von dieser Fixierung auf die Infektionszahlen lösen. Ein Ampelsystem, wie es der Virologe Hendrik Streeck vorschlägt, könnte möglicherweise dazu beitragen, wieder zu etwas mehr Normalität im Alltag zurückzukehren. Präventive Tests vorrangig für das Personal in sensiblen Bereichen, wie zum Beispiel in Pflegeheimen und Kindereinrichtungen, würden unterstützend wirken.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere KV Sachsen setzt in ihrer derzeitigen Versorgungsstrategie auf drei Säulen:

  1. Die flächendeckende Versorgung innerhalb der bewährten Strukturen einschließlich des Bereitschaftsdienstes
  2. Beauftragung von Praxen als Schwerpunktpraxen mit Infektsprechstunden für diagnostische und therapeutische Maßnahmen an ausgewählten Standorten
  3. Flexibilität bei der Errichtung von temporären Anlaufstellen wie Abstrichpraxen oder Testcenter, um auf den Bedarf reagieren zu können

Ihre Barbara Teichmann