Pandemie-Management in der kalten Jahreszeit
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Ende September betitelte die Tageszeitung „Die Welt“ einen ihrer Artikel „Die Hausärzte sind mit ihrem Latein am Ende“. Nun, davon gehen wir jetzt nicht aus. Allerdings zeigt der Ausspruch von Wolfgang Kreischer, Allgemeinmediziner und Vorsitzender des Hausärzteverbandes Berlin / Brandenburg, eine gewisse Resignation über die ständig wechselnden Strategien – falls sie überhaupt diesen Begriff verdienen – und Vorgaben aus der Bundespolitik im Zusammenhang mit der Pandemiebekämpfung.
So sorgte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn mit seiner Ankündigung zu sogenannten „Fieberambulanzen“ für Widerspruch nicht nur unter den Kassenärztlichen Vereinigungen. Auf die Frage, ob möglicherweise Testzentren wieder stärker genutzt werden, um die Hausärzte vor Überforderung zu schützen, antwortete er der Rheinischen Post: „Unbedingt. Wir brauchen im Herbst regional und lokal sogenannte Fieberambulanzen, an die sich Patienten mit klassischen Atemwegssymptomen wie Corona und Grippe wenden können. Ich setze darauf, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen solche zentralen Anlaufstellen vor Ort anbieten werden. Konzeptionell gibt es die schon – sie sollten im Herbst idealerweise flächendeckend zugänglich sein.“ Die Frage, woher das ärztliche und nichtärztliche Personal kommen soll, ließ er jedoch offen.
Der Begriff Fieberambulanz impliziert außerdem, dass dort nur Patienten mit Fieber diagnostiziert und therapiert werden. Das würde bedeuten, dass als erste Maßnahme eine Temperaturmessung erfolgt und alle Patienten ohne Fieber, das heißt unter 38,0 °C, wieder ohne weitere Diagnostik an den Hausarzt verwiesen werden. Die Reaktion der betreffenden Patienten wäre vorhersehbar. Falls man damit Abstrichstellen meint (bei denen jeder, der es möchte, einen Corona-Test bekommt), sollte man das auch so klar sagen.
Falls Herr Spahn hiermit aber Infektsprechstunden meint, würde er allerdings durchaus auf der Linie der KV Sachsen liegen. Die Diagnostik und Therapie eines normalen Infektpatienten ist die klassische Aufgabe des Hausarztes und genau das, was einen wesentlichen Teil der Tätigkeit in der Erkältungssaison ausmacht. Eine komplette parallele Struktur hierzu zu schaffen ist zum einen nicht sinnvoll, aber auch aus personellen Gründen überhaupt nicht möglich.
So kann und wird es wohl von Herrn Spahn nicht gemeint sein. Die nachvollziehbare Motivation seiner Aussage ist sicher die, dass Corona-Verdachtsfälle möglichst in Diagnostik und Therapie von anderen Patienten separiert behandelt werden. Doch diese Erkenntnis ist nicht neu. Alle niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte haben im vergangenen halben Jahr bewiesen, dass tragfähige Strukturen sowie geeignete organisatorische und räumliche Konzepte gefunden wurden, um Ansteckungen und die Ausbreitung des Corona-Virus zu verhindern. Immerhin konnten sechs von sieben Corona-Patienten ambulant behandelt werden. Schon in den Anfangszeiten der Corona-Pandemie, als wir noch viel zu wenig über das Virus und seine Ausbreitung wussten, hat der ambulante Sektor seine Leistungsfähigkeit als „erster Schutzwall“ zur Pandemiebekämpfung unter Beweis gestellt (auch wenn der Mangel an Schutzausrüstung damals teilweise limitierend wirkte). Auf diesen Strukturen kann und muss man aufbauen.
In der KV Sachsen wird dies durch die Organisation von Infektsprechstunden bei den Haus- und Kinderärzten sichergestellt. Bei Bedarf lassen sich diese Organisationsstrukturen an die aktuellen Erfordernisse anpassen. Mit ihren Möglichkeiten der Honorarverteilung hat die KV Sachsen Anreize für die Übernahme dieses besonderen Versorgungsauftrages geschaffen ( Seite I).
Ihr Klaus Heckemann