Störfall gematik
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
glücklicherweise waren wir in Sachsen offenbar nur unterproportional vom Störfall in der Telematikinfrastruktur (TI) betroffen. In etwa 80.000 (von bundesweit ca. 178.000) Praxen von Ärzten, Psychotherapeuten und Zahnärzten – war seit dem 27. Mai 2020 über mehrere Wochen kein Online-Abgleich der Versichertenstammdaten möglich. Nach Mitteilung der TI-Betreibergesellschaft gematik hatte ein Konfigurationsfehler in der zentralen Telematikinfrastruktur zu dem Ausfall geführt.
Natürlich können Fehler passieren, aber besonders in einer Zeit, in der die Digitalisierung gerade im Gesundheitswesen einen Aufschwung erfährt, ist so eine schwerwiegende Panne für die betroffenen Praxen gravierend. Über mehrere Wochen zog sich ein Prozess, der leider von mangelhafter Informationspolitik seitens der gematik, fehlenden Handlungsvorgaben für die betroffenen Ärzte und der Unklarheit zur Kostenübernahme gekennzeichnet war.
Am 29. Mai versprach die gematik in Abstimmung mit dem Bundesgesundheitsministerium, „dass den betroffenen Leistungserbringern kein finanzieller Schaden durch die Situation entsteht und sie keine Sanktionen fürchten müssen…“. Doch leider war man zu diesem Zeitpunkt noch weit von einer Lösung entfernt. Zwar hatte die gematik „Unterstützung“ zugesagt. Doch diese erschöpfte sich vorerst in der Aufforderung an die betroffenen Praxen, sich an ihren IT-Dienstleister zu wenden.
Auch eine Woche nach dem Störfall waren weder das Ausmaß noch die Folgen bekannt. Den Verantwortlichen der Betreibergesellschaft schien offensichtlich die Tragweite des Problems für die Praxen gar nicht bewusst gewesen zu sein. Lange Zeit blieb auch offen, wer letztendlich die Kosten trägt und folglich auch die Rechnungen erhält.
Deshalb drängte die KBV auf eine schnelle und für die Praxen aufwandsarme und kostenfreie Lösung. Aber es war klar, dass viele Ärzte und Psychotherapeuten verständlicherweise keinen Dienstleister beauftragen würden, solange es keine verbindliche Aussage zur Übernahme der Reparaturkosten geben würde. Scharfe Kritik an der gematik äußerte Dr. Thomas Kriedel, Vorstandsmitglied der KBV: „Hier hat die gematik, das muss man so klar sagen, versagt. Wir als KBV haben erst zwei Tage nach Auftritt der Panne überhaupt von dem Problem erfahren. Bis dahin hielt es die gematik nicht für nötig, uns oder die Ärzte und Psychotherapeuten selbst zu informieren.“
Auch Dr. Dirk Heinrich, Vorstandsvorsitzender des Spitzenverbandes Fachärzte Deutschland e. V. (SpiFa), machte im Namen der Mitglieder seinem Unmut Luft: „Diese Störung offenbart eine Symptomatik des Auslieferns der Ärzteschaft an die Telematikinfrastruktur. Wir reden derzeit nur vom Verwaltungs-Modul Abgleich der Versichertenstammdaten. Ich mag mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, was in einem Fall passiert, wenn wir das eRezept und die eAU haben. Wir fordern daher die gematik eindrücklich auf, sich nicht aus der Verantwortung zu stehlen!“ Dies äußerte er am 12. Juni, nachdem sich das Desaster schon mehr als zwei Wochen lang hingezogen hatte.
Da kaum Lösungsansätze in Sicht waren, positionierte sich auch die Vertreterversammlung der KBV am selben Tag noch einmal sehr deutlich und verabschiedete eine sieben Punkte umfassende Resolution. Darin heißt es unter anderem: „Den Praxen dürfen durch einen solchen Ausfall der zentralen Infrastruktur keinerlei Kosten entstehen. Es darf also keine Sanktionen geben und es muss eine klare Regelung geben, dass die Praxen von den Kosten der Fehlerbehebung und der Rechnungsabwicklung freigestellt werden. Dies betrifft auch Folgekosten, wie etwa nicht mögliche Abrechnungen. Hier muss eine klare verursacherbezogene Schadensersatzregelung gefunden werden. Insgesamt dürfen den Praxen durch solche Vorfälle keinerlei Aufwände, weder finanziell noch organisatorisch, entstehen.“
Damit appellierte die KBV-VV an die gematik, ihre Versäumnisse nicht auf dem Rücken der Praxen auszutragen. Schließlich steht das Vertrauen in eine funktionierende TI und damit in eine erfolgreiche Digitalisierung des Gesundheitswesens auf dem Spiel. Am 19. Juni gab die gematik dann endlich die Klärung des Kostenproblems bekannt. An die Praxen ging der Appell, sich schnellstmöglich mit ihrem IT-Dienstleister in Verbindung zu setzen, um ein notwendig gewordenes Update noch vor Beginn des neuen Quartals einspielen zu können. Eine Rechnung darüber sollten sie nicht erhalten. Der Geschäftsführer der gematik, Dr. Markus Leyck Dieken, teilte mit, die Kosten seien über die Wartungspauschalen abgegolten. Auch darüber hinausgehende Aufwände, die im Zusammenhang mit der TI-Störung eventuell entstehen können, gingen nicht zulasten der Praxen, versicherte er.
Es bleibt zu hoffen, dass aus diesem Störfall Lehren für die Zukunft gezogen werden. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen Vertrauen in die technischen und organisatorischen Abläufe der mit der Telematikinfrastruktur gekoppelten Prozesse haben können, vor allem im Hinblick auf die vielen weiteren geplanten elektronischen Anwendungen.
Die gematik ist politisch verantwortlich für eine sichere Vernetzung des Gesundheitswesens und für den technischen Betrieb. Für solche Problemfälle muss sie Notfallkonzepte vorhalten. Wenn die Versorgung künftig immer mehr von einer funktionsfähigen TI abhängt, ist es umso wichtiger, dass diese reibungslos funktioniert. Trotz des aktuell aufgetretenen Problems bin ich immer noch davon überzeugt, dass die Chancen der Digitalisierung ihre Risiken überwiegen. Bitte lesen Sie dazu auch die Seiten 6 bis 9 in diesem Heft.
Es grüßt Sie herzlich
Ihre Sylvia Krug