Sachsen braucht dringend (Haus-)Ärzte
Die neue Bedarfsplanungs-Richtlinie hat weitreichende Konsequenzen für den Freistaat Sachsen. Nach aktuellen Hochrechnungen wächst die Zahl der möglichen Zulassungen auf knapp 580. Besonders viele neue Möglichkeiten entstehen bei den Fachgruppen der Haus-, Augen- und Nervenärzte sowie Psychotherapeuten.
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) erhielt den Auftrag des Gesetzgebers, die Bedarfsplanungs-Richtlinie zu reformieren. Die Bedarfsplanungs-Richtlinie (BP-RL) macht bundesweite Vorgaben zur Planung der vertragsärztlichen Kapazitäten und definiert regionale Spielräume mit dem Ziel, eine bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten. Die neue Bedarfsplanungs-Richtlinie ist Ende Juni 2019 in Kraft getreten, die Kassenärztlichen Vereinigungen hatten sechs Monate Zeit, diese in den regionalen Bedarfsplänen umzusetzen.
Wesentliche Änderungen in der Bedarfsplanungs-Richtlinie
Die Anpassung der Verhältniszahlen, welche die Arzt-Einwohner-Relation vorgeben, ist eine wesentliche Änderung, die die neue Bedarfsplanungs-Richtlinie mit sich bringt. Der bisherige Demografiefaktor wurde durch den Morbiditätsfaktor ersetzt. Neben den Faktoren Alter und Geschlecht wird zur Berechnung des neuen Anpassungsfaktors zusätzlich die Krankheitslast herangezogen, um eine realitätsgetreuere Ermittlung des ärztlichen Bedarfs in den einzelnen Regionen zu gewährleisten. Nach der Bedarfsplanungsreform 2019 werden damit Verhältniszahlen nun alle zwei Jahre aufgrund der demografischen Entwicklung angepasst.
Für einzelne Arztgruppen (Kinder- und Jugendärzte, Nervenärzte, Psychotherapeuten sowie Fachinternisten) fand zudem eine systematische Veränderung der Verhältniszahlen statt mit der Konsequenz, dass für die gleiche Einwohnerzahl mehr Ärzte veranschlagt werden.
Gemäß den neuen gesetzlichen Möglichkeiten durch das Terminservice- und Versorgungsgesetz hat der G-BA zudem Quoten innerhalb bestimmter Fachgruppen beschlossen. Die Quoten dienen als Steuerungsinstrument, um eine bessere Verteilung der Schwerpunkte innerhalb der Fachgruppen zu gewährleisten.
Maximalquoten wurden für die fachärztlich tätigen Internisten definiert: die Nachbesetzung / Zulassung von Gastroenterologen, Pneumologen, Kardiologen und Nephrologen kann nicht mehr erfolgen, sofern die für die Fachgruppe definierte Quote überschritten ist. Dennoch bleibt die Möglichkeit der Nachbesetzung innerhalb des jeweiligen Schwerpunktes erhalten.
Im Gegensatz zu den Maximalquoten bewirken die Minimalquoten Zulassungsmöglichkeiten auch in gesperrten Planungsbereichen, sofern die jeweilige Quote noch nicht erfüllt ist. Es wurden Mindestquoten für Psychosomatiker, Rheumatologen, Neurologen und Psychiater festgelegt.
Auch Neuerungen im Hinblick auf die Feststellung von (drohender) Unterversorgung und zusätzlichem lokalen Versorgungsbedarf sind durch die neue Bedarfsplanungs-Richtlinie hinzugekommen. So wird (drohende) Unterversorgung nun auch für Fachgruppen der gesonderten fachärztlichen Versorgung (Versorgungsebene 4 – z. B. Laborärzte und Neurochirurgen) geprüft. Bei der Prüfung auf zusätzlichen lokalen Versorgungsbedarf werden zu den bereits bestehenden Kriterien Erreichbarkeitswerte aufgenommen. So müssen 95 Prozent der Einwohner eines Planungsbereichs einen Hausarzt innerhalb von 20 Pkw-Minuten, einen Kinderarzt innerhalb von 30 Pkw-Minuten und einen Frauen- bzw. Augenarzt innerhalb von 40 Pkw-Minuten erreichen können.
Weitere Änderungen betreffen u. a. die verstärkte Berücksichtigung einer barrierefreien Versorgung oder aber die Möglichkeit einer Dreiviertel-Zulassung.
Auswirkungen auf die Bedarfsplanung in Sachsen
Auf Basis aktueller Hochrechnungen mit Arztstand vom 1. Juli 2019 entstehen durch die Neuerungen in der Bedarfsplanungs-Richtlinie für Sachsen insgesamt 285 neue Zulassungsmöglichkeiten, sodass über alle Arztgruppen und Planungsbereiche voraussichtlich 579 Stellen offen sein werden.
Knapp 90 Prozent der neuen Zulassungsmöglichkeiten entstehen dabei in den Gruppen der Hausärzte, Psychotherapeuten, Nerven- und Augenärzte (siehe Tabelle 1).
Tabelle 1 – Neu entstehende Zulassungsmöglichkeiten für ausgewählte Fachgruppen
Arztgruppe | Zulassungsmöglichkeiten bis 110 % | ||
---|---|---|---|
nach alter BP-RL | nach neuer BP-RL | Differenz | |
Hausärzte | 249 | 429 | 181 |
Psychotherapeuten | 0 | 43 | 43 |
Nervenärzte | 0 | 17 | 17 |
Augenärzte | 8 | 21 | 13 |
Summe | 256 | 509 | 253 |
Auch wenn diese Hochrechnungen noch nicht verbindlich sind, können sie nur einer ersten Orientierung dienen. Einschränkend ist anzumerken, dass die genannten Zahlen ohne jegliche Berücksichtigung von möglichen Maßnahmen zu einer gezielten Versorgungssteuerung bestehen und daher unter Vorbehalt zu betrachten sind. Die neue Bedarfsplanungs-Richtlinie räumt den Kassenärztlichen Vereinigungen für die hausärztliche und allgemeine fachärztliche Versorgung die Möglichkeit ein, Planungsbereiche mit einem Versorgungsgrad zwischen 100 und 110 Prozent für einen Übergangszeitraum zu sperren, um sicherzustellen, dass freie Stellen in schlechter versorgten Planungsbereiche vorrangig besetzt werden. Diese Möglichkeit wird aktuell von dem Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen Sachsen als Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung geprüft. Eine Konsequenz daraus könnte sein, dass für die Haus-, Augen- und Nervenärzte sowie Psychotherapeuten Planungsbereiche zwischen 100 und 110 Prozent gesperrt werden könnten und Zulassungsmöglichkeiten wegfallen würden.
Für die Fachgruppe der sächsischen Kinderärzte ändert sich trotz der bundesweiten Verhältniszahlen nichts. Grund dafür ist, dass die Anpassung der Verhältniszahlen bei Kinderärzten in Sachsen bereits durch die landesspezifische Anpassung mit dem Bedarfsplan 2016 erfolgt ist. Bereits vor vier Jahren konnte anhand einer detaillierten Analyse von Bevölkerungsdaten, Arztzahlen und Behandlungsfallzahlen von Kinderärzten gezeigt werden, dass in Sachsen eine starke Nachfrage an kinderärztlichen Leistungen trotz ausgewiesener Überversorgung besteht. Auf dieser Grundlage wurde bereits mit dem damaligen Bedarfsplan der regionale Spielraum genutzt und die Verhältniszahlen für Kinderärzte abgesenkt, um den existierenden Bedarf an kinderärztlichen Leistungen realitätsnäher abzubilden. Aus diesem Grund entstehen für Kinderärzte keine neuen Zulassungsmöglichkeiten.
Umsetzung der neuen Bedarfsplanung in Sachsen
Der neue Bedarfsplan bildet ab der ersten Sitzung des Landesausschusses in 2020 die Grundlage für die Überprüfung der vertragsärztlichen Versorgungsituation in Sachsen. Die Veröffentlichung des Bedarfsplans erfolgt voraussichtlich Ende Januar 2020 auf der Internetpräsenz der KV Sachsen.
Für offene Planungsbereiche wird im Anschluss an die Überprüfung der Versorgungsituation durch den Landesausschuss eine Bewerbungsfrist ausgeschrieben, die mit Veröffentlichung beginnt und nach acht Wochen (voraussichtlich Anfang / Mitte März) endet.
Wer sich auf einen freien Sitz bewerben möchte, muss dies nach Fristbeginn und vor Fristende tun. Gibt es mehr Bewerbungen als Zulassungsmöglichkeiten, muss der Zulassungsausschuss Auswahlverfahren durchführen.
Die Möglichkeit der Antragstellung auf Grundlage des alten Bedarfsplans endeten am 31. Dezember 2019. Bereits bewilligte Fördermaßnahmen laufen weiter. Die neuen Fördermaßnamen können voraussichtlich ab dem 1. Juli 2020 beantragt werden.
– Sicherstellung / mi –
Förderung von ambulanten, fachärztlichen Weiterbildungsabschnitten
Auch in diesem Jahr fördern die Kassenärztlichen Vereinigungen gemeinsam mit den gesetzlichen Krankenkassen die Weiterbildung in den Praxen zugelassener Ärzte und medizinischer Versorgungszentren. Grundlage ist § 75a SGB V.
Auf Basis der gültigen Vereinbarung zur Förderung der Weiterbildung nach § 75a SGB V zwischen dem Spitzenverband der Krankenkassen, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft werden ambulante Weiterbildungsabschnitte seit 1. Oktober 2016 auch auf Bundesebene in fachärztlichen grundversorgenden Fachgebieten analog zur Allgemeinmedizin mit monatlich 4.800 Euro gefördert. Die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen hat zusammen mit den Landesverbänden der Krankenkassen in Sachsen und den Ersatzkassen auf Grundlage dieser Bundesvereinbarung eine vertragliche Regelung zur Förderung ambulanter Weiterbildungsabschnitte in fachärztlichen Fachgebieten geschlossen. Demnach werden in Sachsen diejenigen Fachgebiete berücksichtigt, für die der Landesausschusses der Ärzte und Krankenkassen Sachsen (drohende) Unterversorgung bzw. zusätzlichen lokalen Versorgungsbedarf in einer Region festgestellt hat.
Die entsprechenden Feststellungen werden wiederum durch den Landesausschuss regelmäßig auf Basis der Versorgungssituation geprüft und gegebenenfalls neu festgelegt.
Mit Inkrafttreten des TSVG im vergangenen Jahr wurden die Stellen für die weiteren Fachgruppen in der Weiterbildungsförderung bundesweit von 1.000 auf 2.000 Stellen erhöht. Für Sachsen bedeutet das, dass entsprechend dem Bevölkerungsanteil für das Kalenderjahr 2020 insgesamt 98 Jahresvollzeitstellen zur Verfügung stehen. Allerdings sind darauf auch die Weiterbildungsabschnitte anzurechnen, die bereits in den vergangenen Jahren begonnen haben und in das aktuelle Jahr hineinreichen. Aufgrund der regen Inanspruchnahme der Förderung in den fachärztlichen Fachgebieten stehen für 2020 demnach noch 57 Förderstellen zur Verfügung.
Ab sofort ist eine Antragstellung für die Förderung der Weiterbildung in der ambulanten fachärztlichen Versorgung gemäß § 3 Bundesvereinbarung bis 30. November 2020 wieder möglich.
Folgende Fachgebiete (Weiterbildungsziele) sind aktuell förderfähig:
- Augenheilkunde
- Kinder- und Jugendmedizin
- Haut- und Geschlechtskrankheiten
- Neurologie sowie Psychiatrie und Psychotherapie
- Hals-Nasen-Ohrenheilkunde sowie Fachärzte für Sprach-, Stimm- und Kindliche Hörstörungen (Phoniater)
- Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie
- Urologie
Eine Aufteilung der offenen Förderstellen auf die einzelnen Fachgebiete wie in den vergangenen Jahren wird es in diesem Jahr wegen der Verdopplung der Förderstellen nicht möglich sein. Die entsprechende Vereinbarung der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen mit den Landesverbänden der Krankenkassen in Sachsen und Ersatzkassen befand sich zum Redaktionsschluss im Unterschriftenverfahren.
Allgemeine Hinweise
Die Förderung ist von der weiterbildenden Praxis in voller Höhe dem jeweiligen Arzt in Weiterbildung zur Verfügung zu stellen. Der Arbeitgeberanteil der Lohnnebenkosten darf nicht aus den Fördermitteln bestritten werden.
Eine Förderung kann erfolgen, wenn der Arzt in der weiterbildungsbefugten Praxis einen mindestens zwölf Monate andauernden, zusammenhängenden Weiterbildungsabschnitt absolviert. Bei einer Weiterbildung in Teilzeit wird die Förderung entsprechend anteilig gewährt.
Im Übrigen unterliegt die Förderung in den ausgewählten Fachgebieten der Voraussetzung, dass die beantragende Praxis überwiegend konservativ und nicht spezialisiert tätig ist. Die bestimmungsgemäße Verwendung der Fördermittel ist zudem gegenüber der KV Sachsen nachzuweisen.
Die KV Sachsen fördert auch weiterhin Weiterbildungsabschnitte im ambulanten Bereich anderer Fachgebiete, sofern ein Anspruch auf eine Förderung nach der Bundesvereinbarung nicht besteht. Da es sich hierbei um eine ausschließlich durch die KV Sachsen getragene Förderung handelt und demzufolge eine paritätische Finanzierung mit den Krankenkassen nicht gegeben ist, reduziert sich der Förderbetrag um die Hälfte auf 2.400 Euro monatlich.
Überblick zu den aktuellen Förderbeträgen
im Zuständigkeitsbereich der KV Sachsen
- Ärzte in Weiterbildung im Fach Allgemeinmedizin: 4.800 Euro pro Monat
zusätzliche Förderung:
- bei Tätigkeit in Gebieten mit drohender Unterversorgung: 250 Euro pro Monat
- bei Tätigkeit in Gebieten mit festgestellter Unterversorgung: 500 Euro pro Monat - Ärzte in Weiterbildung in fachärztlichen Fachgebieten gem. § 3 (8) Bundesvereinbarung: 4.800 Euro pro Monat (Kontingent begrenzt)
- Ärzte in Weiterbildung in allen anderen zulassungsfähigen Fachgebieten: 2.400 Euro pro Monat
– Sicherstellung / koh –