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Die Sicht der Experten: Welche Gesichtsmasken schützen vor SARS-CoV-2?


Ein Beitrag von Prof. Dr. Lutz Jatzwauk, Leiter des Zentralbereichs Krankenhaushygiene/Umweltschutz am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden und Dr. Thomas Grünewald, Leiter der Klinik für Infektions- und Tropenmedizin am Zentrum Innere Medizin II am Klinikum Chemnitz.

Begriffsdefinition

Als „Gesichtsmasken“ werden umgangssprachlich sowohl spezielle Atemschutzmasken (in Deutschland FFP/filtering facepiece 1 – 3 genannt) wie auch Mund-Nasenschutzmasken („chirurgische OP-Masken“= MNS)  subsummiert. Atemschutzmasken dienen dem Schutz des Trägers und werden in Deutschland nach den Vorschriften der Berufsgenossenschaften geprüft und als persönliche Schutzausrüstung (PSA) in Verkehr gebracht. Ein MNS ist ein Medizinprodukt. Normativ wird nicht die Schutzwirkung für den Träger, sondern die Keimabgabe in Richtung des Patienten geprüft. Natürlich wirken sie auch in der Gegenrichtung.

Stand der Wissenschaft

Als Stand der Wissenschaft bei der Prävention von Infektionskrankheiten gelten in Deutschland die Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) am Robert Koch-Institut. In den dortigen Empfehlungen zur „Infektionsprävention im Rahmen der Pflege und Behandlung von Patienten mit übertragbaren Krankheiten“ wird in > Tabelle 1 die bei definierten Infektionskrankheiten notwendige Schutzausrüstung für medizinisches Personal empfohlen. Bei respiratorischen Infektionen bzw. Pneumonie durch Coronaviren (SARS, MERS) wird dem Personal die Nutzung einer FFP2-Maske empfohlen. Bei Patienten, die an einer saisonalen Influenza A oder B erkrankt sind, genügt ein MNS. Die Empfehlung des RKI zur Prävention der aviären Influenza lautet dagegen eine FFP-Maske. Patienten mit offener Lungentuberkulose sind unter Nutzung einer FFP2-Maske zu behandeln. Patienten mit durch multiresistente Mycobacterium tuberculosis (MDR-, XDR-Tbc) hervorgerufene offene Lungentuberkulose erfordern bei gleichem Erreger, biologischer Fitness des Erregers, demselben Übertragungsweg und unveränderter Kontagiosität demgegenüber das Tragen einer FFP3-Maske.

Aus dem Gesagten wird ersichtlich, dass die Empfehlungen im Ergebnis einer Risikoanalyse nicht allein durch die Qualität der „Gesichtsmasken“, sondern auch durch die bei einer Infektion zu erwartenden klinischen Konsequenzen erheblich beeinflusst werden.

Technische Prüfung von Gesichtsmasken

Die physikalisch-technische  Prüfung von Atemschutzmasken erfolgt durch das Berufsgenossenschaftliche Institut für Arbeitsschutz gemäß DIN 149 unter praxisnahen Bedingungen. Probanden werden mit Atemschutzmaske einem NaCl-Prüfaerosol ausgesetzt. Die mittlere Partikelgröße des Aerosols beträgt dabei 0,2 Mikrometer. Es ist wichtig zu verstehen, dass es einen absoluten Schutz vor der Inhalation von Aerosolen unter diesen Versuchsbedingungen nicht gibt (> Tabelle 1).

Tabelle 1 – Vergleich der Anforderungen an partikelfiltrierende Halbmasken und an Mund-Nasen-Schutz (MNS)

 

Typ der HalbmaskeMindestrückhaltevermögen des Filters bezüglich NaCl-Prüfaerosol Maximal zulässige Gesamtleckage an Probanden
FFP 180 %22 % [a]
FFP 294 %8 % [a]
FFP 399 %2 % [a]
MNS[95 %] (S. aureus)nicht angegeben

Der Mensch ist ohne technische Hilfsmittel (z. B. Absaugkatheter oder Induktion durch entsprechende Manipulation wie z. B. Endoskopie der tiefen Atemwege)  jedoch nicht in der Lage, bei Hustenstößen oder Niesen aus dem Respirationstrakt derart kleine Tröpfchen zu produzieren. In klinisch relevanten Szenarien werden meist Tröpfchengrößen über 5 µm nachgewiesen. Modellversuche mit Bioaerosolen von bereits 1 Mikrometer zeigten gegenüber dem beschriebenen Versuchsmodell der Berufsgenossenschaften eine den Atemschutzmasken vergleichbare  Schutzwirkung von MNS. Dieses konnte auch in klinischen Versuchsmodellen mit Staphylococcus aureus als Indikatorkeim belegt werden. Neben der Partikelgröße beeinflussen dann auch noch die chemische Zusammensetzung des Aerosols und die Geschwindigkeit, mit der die Tröpfchen auf die Gesichtsmaske gelangen, die Schutzwirkung. Durch Atemschutzmasken vom Typ FFP 1 – 3 wird in allen technischen Prüfungen eine optimale Schutzwirkung für Aerosole nachgewiesen. Ob diese Schutzwirkung auch bei Infektionskrankheiten notwendig ist, die durch weitaus größere Tröpfchen aus dem Respirationstrakt übertragen werden, belegen die Modelluntersuchungen nicht.

Epidemiologische Untersuchungen

Die notwendige Schutzwirkung von Gesichtsmasken bei definierten Infektionskrankheiten kann nur durch epidemiologische Untersuchungen erbracht werden. Gesichtsmasken aus Baumwolle schützten 1918 Soldaten in der Mandschurei ausreichend vor der pandemisch auftretenden Influenza. Diese bereits 100 Jahre alte Publikation wird durch aktuelle Studien gestützt, die keine signifikanten Unterschiede in der Erkrankungshäufigkeit an saisonaler Influenza  bei medizinischem Personal nachwiesen, welches bei Kontakt mit Erkrankten Atemschutzmasken oder MNS trug. Im Rahmen des Auftretens von SARS-Infektionen konnte in kanadischen Studien zu deren Ätiologie und Transmission gezeigt werden, dass das Tragen sowohl von MNS wie auch FFP-Masken gleichermaßen die Ansteckung von Pflegepersonal und Ärzten verhindert hat. Einschränkend muss hinzugefügt werden, dass weder MNS noch FFP-Masken die SARS-Transmissionen vollständig unterbunden haben (kein Unterschied zwischen beiden).

Schlussfolgerungen

Technische Modellversuche legen nahe, dass bei durch kleine Partikel (Aerosole) übertragbaren und zugleich hochkontagiösen Infektionskrankheiten (z.B. Varizellen, Masern) die Verwendung einer Atemschutzmaske bei der Untersuchung oder Pflege eines Erkrankten zum Personalschutz sinnvoll sein kann. Auf Infektionen, deren Übertragung durch größere Tröpfchen aus dem Respirationstrakt des Erkrankten erfolgt (z.B. Influenza, SARS, COVID-19) lassen sich diese Ergebnisse jedoch nicht übertragen. Die Ergebnisse klinisch-epidemiologischer und experimenteller Untersuchungen zeigten bei diesen Infektionskrankheiten eine vergleichbare Schutzwirkung mehrlagiger chirurgischer Gesichtsmasken (MNS).

– Prof. Dr. Lutz Jatzwauk, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden und Dr. Thomas Grünewald, Klinikum Chemnitz, Literatur bei den Verfassern –