Im Netz - Digitalisierung zum Wohl des Patienten?
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
ist Ihre Praxis bereits an die Telematikinfrastruktur angeschlossen? Sie wissen ja: Schon bis Ende Juni dieses Jahres sollte dies erfolgt sein, ab 1. Juli 2020 gilt dann die generelle Anschlusspflicht. Und im Hinblick auf die Verringerung der Konnektorpauschale ab 1. Januar 2020 erscheint es meines Erachtens sinnvoll, den Anschluss und den Versichertenstammdatenabgleich spätestens bis zum Jahresende 2019 zu vollziehen.
Telematikinfrastruktur – warum? Oder andersherum: Warum nicht?
Befunde elektronisch austauschen, elektronische Rezepte und Krankenscheine ausstellen, eine elektronische Patientenakte anlegen, die auch der Patient nutzen kann: Auch wenn einiges davon noch Zukunftsmusik ist, steht mit der Telematikinfrastruktur den Praxen ein Datennetz zur Verfügung, das viele versorgungsrelevante Anwendungen ermöglicht. Mit dem Notfalldatenmanagement beispielsweise können Ärzte einen sogenannten Notfalldatensatz auf der elektronischen Gesundheitskarte speichern. Darin sind Daten enthalten, die in einem medizinischen Notfall relevant sind, zum Beispiel Vorerkrankungen oder Medikamente.
Im Terminservice- und Versorgungsgesetz kam eine Festlegung hinzu, dass ab Januar 2021 die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung über die TI an die Krankenkassen zu übermitteln ist. Ein weiterer Baustein wird die elektronische Fallakte sein. Die Krankenkassen sind verpflichtet, ihren Versicherten ab 1. Januar 2021 eine elektronische Patientenakte anzubieten.
Sicherheit ist gewährleistet
Die Sicherheit der Telematikinfrastruktur spielt angesichts der hierüber transportierten sensiblen Daten eine außerordentlich große Rolle. Es ist daher folgerichtig, dass sich bei der Entwicklung der TI sowohl das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) als auch der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit aktiv eingebracht haben. Das BSI muss die einzelnen Komponenten der TI in einem aufwendigen Verfahren zertifizieren. Dennoch werden kritische Stimmen, wie die der „MEDI GENO Deutschland e. V.“ vom September des Jahres, seitens der Experten ernst genommen. Der Vorsitzende der MEDI GENO, Dr. Werner Baumgärtner, begründet seine Bedenken mit der Unsicherheit der Konnektoren und der ungeklärten Haftungsfrage.
Die KBV hat Ende September 2019 den aktuellen Sachstand zu den Sicherheitsaspekten zusammengefasst. (> Seite 7). Wichtig erscheint uns insbesondere – und darauf wird zu drängen sein – dass die von der Konferenz der Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder (DSK) geäußerte Mitverantwortlichkeit für das Betreiben der Konnektoren von gematik und „den Betreibern der Arztpraxen“ [sic!] vom Gesetzgeber klar geregelt wird, d. h. dass ab dem Konnektor die gematik für Datenschutz und -sicherheit zuständig ist.
Für die Sicherheit der eigenen Praxis bleibt natürlich weiterhin der Arzt verantwortlich. Für alle nachfolgenden Strukturen ist die gematik verantwortlich. Das muss gesetzlich fixiert werden! Fehlende rechtsverbindliche Bestimmungen, wer was zu tun hat bzw. wer wofür konkret verantwortlich ist, sprechen gegen eine mögliche Haftungsfrage!
Digitalisierung nicht auf Kosten der Vertragsärzte
So begrüßenswert eine nutzbringende Digitalisierung im Gesundheitswesen auch ist – sie muss zu einer spürbaren Verminderung von Aufwänden für die Vertragsärzte führen. Solange noch Verfahren mit Papierausdrucken und digitalen Vordrucken in Arztpraxen parallel vorgehalten werden müssen, wie zum Beispiel bei der Ausstellung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, und ein hoher zeitlicher Aufwand bei der Ausstellung einer qualifizierten elektronischen Signatur besteht, ist dies kontraproduktiv. Die Digitalisierung sollte auch nicht dazu führen, dass die erforderliche Erweiterung der Technik auf Kosten der Vertragsärzte erfolgt. Trotz zahlreicher Interventionen der KBV und der KV Sachsen gibt es aber leider Konstellationen, bei denen Ärzte unverschuldet mehr bezahlen müssen.
Digitalisierung verbessert Gesundheitsversorgung
Zu diesem Schluss kommt eine Studie der Roland Berger Unternehmensberatung. „Die deutsche Gesundheitswirtschaft muss digitaler werden, um die Chancen für eine verbesserte Patientenversorgung und mehr Effizienz in Krankenhäusern und Unternehmen im Gesundheitswesen nutzen zu können.“, heißt es da. Zudem werden zehn Handlungsempfehlungen gegeben für eine wettbewerbsfähige digitale Gesundheitswirtschaft. Dazu gehören u. a. eine nationale E-Health-Strategie, eine Priorisierung der Digitalisierung in den Medizintechnikunternehmen sowie die Entwicklung eines umfangreichen Infrastrukturprogramms, das Breitbandinfrastruktur, IT-Sicherheit von medizinischen Einrichtungen und die IT-Infrastruktur in Krankenhäusern und im ambulanten Bereich unterstützt.
Durch neue Diagnostik- oder Therapiemöglichkeiten wird die Digitalisierung vor allem den Patienten zugutekommen. Auch die Telemedizin wird ein Teil davon sein. Insbesondere chronisch kranken und mobilitätseingeschränkten Menschen bietet sie viele Vorteile: Weite Anfahrtswege und lange Wartezeiten können teilweise entfallen, reguläre Kontroll- und Routineuntersuchungen ortsunabhängig und zeitlich flexibel durchgeführt werden.
Die Rolle des Arztes ist im Wandel begriffen
Schließlich verändert sich auch zusehends das Informationsbedürfnis unserer Patienten. Immer öfter müssen wir Ärzte über medizinische Zusammenhänge aufklären und Fragen beantworten, die sich bei Patienten aufgrund ihrer Suche im Internet oder durch die Nutzung sogenannter Gesundheits-Apps ergeben haben. Ärztinnen und Ärzte sind hier als Lotsen in einem komplexen System gefragt. Sie sollten in der ärztlichen Aus- und Weiterbildung dazu geschult werden und mit der Zeit gehen – auch wenn die Telematikinfrastruktur bisher noch nicht in vollem Umfang nutzbar ist.
Es grüßt Sie herzlich
Ihre Sylvia Krug