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Ist die Bereitschaftsdienstreform wirklich alternativlos?

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

um die Antwort vorweg zu nehmen – aus meiner Sicht: eindeutig ja. Ist sie doch auch eine Antwort auf die Frage des angemessenen Umgangs mit der Ressource „Arzt“.

Insbesondere bei den Hausärzten ist in zahlreichen Regionen Sachsens ein wachsender Mangel zu verzeichnen. Mit Stand 1. April 2019 gab es sachsenweit 253,5 offene Hausarztstellen bei einem Versorgungsgrad von 110 Prozent. Gerade im hausärztlichen Bereich ist ein Ärztemangel vielerorts nicht mehr zu bestreiten. Während dies für die Patienten in erster Linie mit Einschränkungen bei der medizinischen Versorgung, wie längeren Wartezeiten oder weiteren Wegen, verbunden ist, so zeigen sich die Auswirkungen für die Ärzte vor Ort in zunehmender Arbeitsintensität und -belastung. Auch die fachärztlichen Kolleginnen und Kollegen verspüren aus den verschiedensten Gründen ein Mehr an täglicher Arbeit und Belastung – und dies, obwohl fast alle Planungsbereiche aus bedarfsplanerischer Sicht wegen Überversorgung gesperrt sind. Und zu alledem gehört es zu den vertragsärztlichen Pflichten, nach der Sprechstunde in den sprechstundenfreien Zeiten noch einen ärztlichen Bereitschaftsdienst abzusichern. Die daraus resultierende Belastung kann jeder für sich selbst beurteilen.

Und genau an diesem Punkt setzt meines Erachtens die Bereitschaftsdienstreform der KV Sachsen richtigerweise an. Ziel der Reform sind neben der Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben der Einrichtung von „Notdienstpraxen“ in oder an Krankenhäusern Strukturänderungen zur Entlastung der Kolleginnen und Kollegen. Was ist dabei naheliegender als die Absenkung der Dienstbelastung im ärztlichen Bereitschaftsdienst durch die Zusammenlegung mehrerer bisheriger kleinerer Bereitschaftsdienstbereiche? Die Frage, wie und wie oft die Heranziehung zum Bereitschaftsdienst erfolgt, spielt erfahrungsgemäß keine unwesentliche Rolle bei der Entscheidung, sich in einer bestimmten Region als Vertragsarzt niederzulassen oder in eine Anstellung zu gehen. Offene oder frei werdende Stellen zu besetzen gelingt nur, wenn die Attraktivität der Arztsitze für den ärztlichen Nachwuchs gewährleistet werden kann.

Ein nicht unwesentlicher Bestandteil der Reform ist auch die Einführung eines neuen Vergütungsmodells, welches ein einheitliches „Garantiehonorar“ für alle Ärzte vorsieht – egal ob im Fahrdienst oder im Dienst in der Bereitschaftspraxis. Dies stellt eine Verbesserung insbesondere für die Kolleginnen und Kollegen in den ländlichen Bereichen dar.

Im Rahmen der Vorbereitung und Umsetzung der Bereitschaftsdienstreform wurden Sie durch die KV Sachsen in vielfältiger Form informiert, sei es durch die zahlreichen Veröffentlichungen in den KVS-Mitteilungen, Informationsschreiben oder im Rahmen der „KV vor Ort“-Veranstaltungen Ihrer Bezirksgeschäftsstelle. Wie nicht anders zu erwarten, wurden dabei auch die unterschiedlichsten Sichtweisen und Meinungen deutlich. Meinungen, wie „der Bereitschaftsdienst funktioniert doch, es besteht überhaupt keine Veranlassung, daran etwas zu ändern“ kann ich durchaus nachvollziehen, schließlich können die Patienten in ganz Sachsen auf einen funktionierenden Bereitschaftsdienst zurückgreifen. Das ist meiner Meinung nach jedoch etwas „zu kurz“ gedacht. Trotz funktionierenden Bereitschaftsdienstes hat die Inanspruchnahme der Notaufnahmen an den Krankenhäusern in den letzten Jahren zum Teil überproportional zugenommen. Die Diskussionen hierzu sind uns allen bekannt. Einerseits kann sich die KV Sachsen als Körperschaft des öffentlichen Rechts gesetzlichen Regelungen nicht entziehen und muss diese umsetzen, anderseits gilt es, den Blick auf das „Ganze“ zu wahren. Hiervon haben sich Vertreterversammlung und Vorstand in ihren Beschlüssen und Festlegungen leiten lassen.

Um die Dienstfrequenz für den einzelnen Kollegen zu verringern, mussten seitens der gewählten Vertreter und des Vorstandes längere Anfahrtszeiten für die Ärzte und längere Wartezeiten für die Patienten in Kauf genommen werden. Nach der Pilotphase können wir aber einschätzen, dass diese Entscheidung zu keinen gravierenden Problemen in der Patientenversorgung in den neuen Bereitschaftsdienstbereichen geführt hat.

Mit Beginn des nächsten Quartals startet nunmehr der Rollout in weiteren Regionen Sachsens. Erwartungsgemäß zeichnet sich auch hier zum Teil Widerstand gegen die begonnene Reform ab – Widersprüche gegen die Bescheide zur Zuordnung zu den neuen Bereitschaftsdienstbereichen oder fachärztlichen Diensten zeugen davon. Wir sollten uns hinsichtlich unserer Haltung zu den anstehenden Veränderungen an den insgesamt positiven Erkenntnissen aus der Pilotierungsphase in den Pilotregionen orientieren. So hat die Dienstbelastung spürbar abgenommen und die anfänglichen Vorbehalte der Kolleginnen und Kollegen gegen den zentral organisierten Fahrdienst konnten in der Regel abgebaut werden. Die Bereitschaftspraxen an den Krankenhäusern werden von der Bevölkerung angenommen, was seinen Ausdruck in stetig gestiegenen Behandlungsfällen findet. Positiv gestaltet sich auch die Zusammenarbeit mit den Krankenhauskollegen – die Zusammenarbeit fördert nicht zuletzt auch das Verständnis der diensthabenden Ärzte untereinander.

Dass die Reform nicht einfach werden wird, war allen von vornherein bewusst. Nicht nur weil sie eine logistische Herausforderung ist, sondern weil sie auch eines Umdenkens in der Ärzteschaft bedarf. Die Bereitschaftsdienstreform kann am Ende nur gemeinsam durch uns alle mit Erfolg umgesetzt werden.

An Ihre aktive Mitwirkung dabei möchte ich abschließend appellieren.

Ihre Barbara Teichmann