Evaluation zur Bereitschaftsdienstreform: Vertreter stimmen sachsenweitem Rollout zu
Im Herbst 2017 ebnete die 69. Vertreterversammlung der KV Sachsen den Weg für eine Bereitschaftsdienstreform. Am 2. Juli 2018 nahmen fünf Bereitschaftspraxen in drei Pilotregionen ihren Betrieb auf: Annaberg / Mittlerer Erzgebirgskreis, Delitzsch / Eilenburg und Görlitz / Niesky.
Da mit dieser Reform zumindest in Teilen Neuland beschritten wurde, forderte die Vertreterversammlung eine Evaluation der Pilotphase. Dieser Bericht hat den Vertretern am 15. Mai 2019 vorgelegen. Trotz der Tatsache, dass die Beantwortung eingehender Fragestellungen nur auf Basis einer Momentaufnahme von zwei Quartalen möglich war, lassen sich bereits jetzt eindeutige Aussagen zur Reform treffen.
Vor der Reform gab es 95 allgemeine Bereitschaftsdienstbereiche, die schrittweise durch Zusammenlegung auf 23 reduziert werden. Die Arztzahlen schwankten zwischen zehn und bis zu 100. Die zum Teil sehr kleinen BD-Bereiche führten häufig zu hohen Dienstbelastungsfrequenzen. Es war zu beobachten, dass Patienten verstärkt Notaufnahmen der Krankenhäuser aufsuchten oder den Rettungsdienst 112 riefen, obwohl es medizinisch nicht erforderlich war.
Gesetzliche Grundlage
Der Gesetzgeber hatte die Rahmenbedingungen im SGB V in Verbindung mit dem Krankenhausstrukturgesetz zum 1. Januar 2016 geändert und den Kassenärztlichen Vereinigungen die Aufgabe zugeschrieben, dass die Sicherstellung des Bereitschaftsdienstes durch Einrichtung von Bereitschaftsdienstpraxen „in oder an Krankenhäusern“ – umgangssprachlich „Portalpraxen“ – oder durch Einbindung der Notfallambulanzen der Krankenhäuser in den Bereitschaftsdienst zu regeln ist.
Bereitschaftspraxen
Die vorliegenden Daten zu den Bereitschaftspraxen zeigen, dass dieses Behandlungsangebot von der Bevölkerung gut angenommen wird. Die Zusammenarbeit mit den Krankenhausträgern ist durchweg positiv zu beurteilen. Für den anstehenden Rollout werden entsprechende Personalschlüssel und Schichtpläne entwickelt, die auf den gewonnen Erkenntnissen aufbauen. Der Ansatz der bedarfsorientierten Öffnungszeiten soll beibehalten werden.
Hausbesuche und Fahrdienst
Mit der zentralen Steuerung der Hausbesuche unter Nutzung von Fahrdienstleistern auf Basis einer neuen Technik hat die KV Sachsen Neuland beschritten. Hinzu kommt, dass mit der Neuorganisation des Hausbesuchsdienstes und der Etablierung einer zentralen Einsatzsteuerung bestehende Regelkreise und Organisationsabläufe, die sich z. T. seit mehr als 20 Jahren entwickelt haben, geändert werden mussten. Entgegen der vielfach im Rahmen der Reformdiskussion geäußerten Befürchtungen, dass ein zentral organisierter Fahrdienst nicht funktioniere, ist festzustellen, dass er mittlerweile als grundsätzlich akzeptiert eingeschätzt wird. Die Entwicklung der Hausbesuchszahlen wird bzw. muss auf jeden Fall zukünftig regelmäßig – und nicht nur bei Start eines neuen BD-Bereiches – evaluiert werden, um einen sachgerechten Fahrzeugeinsatz zu vertretbaren Kosten dauerhaft sicherstellen zu können.
Bereitschaftsdienstvermittlungszentrale
Die zentrale Vermittlung von Hausbesuchen zählt zu den wesentlichen Elementen der BD-Reform. Zunächst sollte der Start der Bereitschaftsdienstvermittlungszentrale (BDVZ) erst nach Beginn der Pilotphase in die Planung aufgenommen werden. Zu Beginn des Jahres 2018, nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund der gesundheitspolitischen Diskussion, wurde dann die Entscheidung getroffen, mit dem Start der Pilotphase auch mit der zentralen Vermittlung von Hausbesuchen zu beginnen.
Die zukünftige Entwicklung sieht vor, dass BDVZ und Terminservicestelle (TSS) unter Zugrundelegung der neuen Vorgaben des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) für Terminvermittlung, Akutbehandlungsvermittlung und Vermittlung von Fernbehandlungen zur Ärztlichen Vermittlungszentrale ÄVZ zusammengeführt werden.
Finanzierbarkeit
In der Vertreterversammlung bestand Konsens, dass die Finanzierung grundsätzlich über die Erhebung einer differenzierten Umlage als Prozentsatz bezogen auf den verwaltungskostenpflichtigen Honorarumsatz und eine Quartalsumlage je Mitglied in Euro – unter Berücksichtigung des Teilnahmeumfanges an der vertragsärztlichen Versorgung – erfolgen sollte. Die von der Vertreterversammlung der KV Sachsen eingeforderte Finanzierung durch die Krankenkassen konnte vom Vorstand bereits zu Teilen realisiert werden. Die aktuelle Einigung sieht vor, dass die Sächsischen Krankenkassen einen Finanzierungsbetrag von jeweils drei Millionen Euro in den Jahren 2018 und 2019 und ab dem Jahr 2020 jährlich 7,5 Millionen Euro leisten.
Nicht zuletzt aufgrund dieses Verhandlungsergebnisses ist es möglich gewesen, von der o. g. Bereitschaftsdienstumlage in den Haushaltsjahren 2018 und 2019 abzusehen. Für das Jahr 2020 wird in der Vertreterversammlung am 29. November 2019 unter Berücksichtigung der aktuellen Kosten- und Finanzsituation eine Entscheidung getroffen.
Die Alternative zur Bereitschaftsdienstreform wäre gewesen, dass die Krankenhäuser die Sicherstellung der Bereitschaftsdienste über ihre Notaufnahmen vom Gesetzgeber übertragen bekommen hätten, einschließlich der Finanzierung durch die niedergelassenen Ärzte. Eine vorsichtige Schätzung zeigt, dass dies die Honorarverteilung mit ca. 3,5 Prozent (!) und damit einer gleich hohen Punktwertminderung belastet hätte, also ein Vielfaches mehr (!) als die vorgesehene Bereitschaftsdienstumlage.
Patientenbeteiligung
Die Forderung nach einer finanziellen Beteiligung der Patienten bei der Inanspruchnahme von Bereitschaftsdienstleistungen wurde im Rahmen der Umfragen thematisiert. Dies entspricht auch den Vorstellungen des Vorstandes der KV Sachsen. Leider ist festzustellen, dass die Politik wenig Interesse zeigt, die Patienten durch steuernde Vorgaben zu einem wirtschaftlichen Verhalten bei der Nachfrage nach Gesundheitsleistungen anzuhalten.
Fazit
Die Befragungen haben außer zu den vorgestellten Sachverhalten auch Hinweise zu Verbesserungsmöglichkeiten mit sich gebracht. Diese werden bei der Weiterentwicklung der BD-Reform und dem anstehenden Rollout berücksichtigt. Insbesondere wurden auch die zeitlichen Abläufe bewertet. Dies hat zu einem angepassten Maßnahmen- und Ablaufplan für den vorgesehen Rollout geführt, in den die Erkenntnisse eingeflossen sind. Die Vertreterversammlung hat sich am 15. Mai 2019 ohne Gegenstimme – bei einer Enthaltung – dafür ausgesprochen, die Reform der Bereitschaftsdienststrukturen fortzusetzen.
– Öffentlichkeitarbeit / pfl–