Sachsens KV-Vorstand im Interview zur Studie „Kein Termin unter dieser Nummer?“
Die Landesvertretung Sachsen der Techniker Krankenkasse wollte wissen, wie schwierig es für gesetzlich versicherte Berufstätige ist, einen Facharzttermin zu bekommen. Sie unterstützte deshalb im Jahr 2018 eine empirische Untersuchung der Hochschule Zittau / Görlitz.
Die Anfang März 2019 veröffentlichte Studie zeigt: Fachärzte in Sachsen weisen jeden fünften Anrufer ab. Zwischen den einzelnen Arztgruppen gibt es allerdings große Unterschiede. Am schnellsten bekommen Patienten einen Termin beim Radiologen. 22 Prozent der angerufenen Facharztpraxen in Sachsen nehmen demnach gar keine neuen Patienten mehr an. Begründet werden die Ablehnungen mit ausgelasteten Kapazitäten und dem Ärztemangel.
Fachärzte wurden über einen Zufallsgenerator ausgewählt und verdeckt von einer privaten Handynummer angerufen. Insgesamt konnten 200 Facharztpraxen in ganz Sachsen – mindestens 25 je Facharztgruppe – kontaktiert werden.
Im Interview mit der Techniker Krankenkasse erklärt der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen, Dr. Klaus Heckemann, warum es im Freistaat so schwierig ist, einen Termin beim Arzt zu bekommen und was die Politik dagegen unternehmen muss.
Herr Dr. Heckemann, warum ist es in Sachsen so schwierig, einen Facharzttermin schnell und unkompliziert zu erhalten?
Der Beantwortung dieser Frage abträglich ist, dass unklar bleibt, wann eine Terminvergabe als „schnell“ und „unkompliziert“ zu bezeichnen ist. Insofern lässt sich nur allgemein antworten, dass Wartezeiten vom fachgruppenspezifischen Behandlungsbedarf sowie dem Ort bzw. der Region der Terminnachfrage abhängen. Erweist sich eine Terminvergabe als langwierig, kann dies dem nicht dringlichen Behandlungsbedarf, wie z. B. bei Vorsorgeuntersuchungen, den durch intensive Inanspruchnahme ausgeschöpften Praxiskapazitäten oder den Schwierigkeiten bei der Nachbesetzung einzelner Arztpraxen infolge Arztmangels geschuldet sein. Über die Terminservicestelle unserer Körperschaft kann jedoch etwaigen Terminengpässen wirksam entgegengewirkt werden.
Sind die geplanten Neuregelungen im Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) aus Ihrer Sicht geeignet, den Zugang zu Fachärzten zu erleichtern?
Unserer Auffassung nach greift das TSVG deutlich zu kurz, da die legislativen Intentionen sich vorderhand darin erschöpfen, noch mehr Leistungen aus der ärztlichen Arbeitskraft herauszuholen. Die Erhöhung der verpflichtenden Sprechstundenzeiten auf 25 Wochenstunden oder der verordnete Zugang zur Terminvermittlung rund um die Uhr z. B. dürften kaum große Wirkung für die Versorgung entfalten, nicht zuletzt deshalb, weil in Sachsen fast alle niedergelassenen Ärzte schon jetzt überobligatorische Arbeitspensen bewältigen.
Sehen Sie Möglichkeiten, die Terminprobleme mittels technischer Unterstützung zu lösen? Welche Chancen sehen Sie in der Digitalisierung des Gesundheitswesens?
Die Schwierigkeiten bei der Nachbesetzung insbesondere hausärztlicher Praxen in ländlichen Regionen lassen sich unserer Meinung nach nur durch Gewinnung hinreichenden ärztlichen Nachwuchses beheben. Die technischen Möglichkeiten, wie z. B. die Telemedizin, sollten dann genutzt werden, wenn der Aufwand in einem adäquaten Verhältnis zum Nutzen für den Patienten steht und den Arzt entlasten. Aus unserer Sicht sollte es jedenfalls nicht das Ziel sein, den Zugang zum Arzt allgemein zu erleichtern, da das bei den begrenzten Kapazitäten die Betreuung der am dringlichsten zu versorgenden Patienten eher gefährdet.
Ein Allheilmittel sehen wir in der Digitalisierung des Gesundheitswesens allerdings nicht, auch deshalb, weil die medizinischen Versorgung von Menschen durch den Menschen durch nichts zu ersetzen ist.
Wie reagieren Sie in Ihrer eigenen Praxis auf Terminanfragen neuer Patienten?
Als Vorstandsvorsitzender der KV Sachsen darf ich de jure nur bis zu 13 Stunden wöchentlich ärztlich tätig sein. De facto sind es im Durchschnitt höchstens 8 Wochenstunden. Da die hausärztliche Tätigkeit mit umfassenden Betreuungs- und Koordinierungspflichten, wie z. B. Hausbesuchen und Heimbetreuung einhergeht, müssen wir in unserer hausärztlichen Gemeinschaftspraxis prüfen, ob wir neue Patienten dauerhaft hausärztlich betreuen können oder ob wir anfragende Versicherte an umliegende Praxen vermitteln. Grundsätzlich sehen wir unseren Patientenstamm aber natürlich nicht als exklusiv an, orientieren uns aber eher am Sprengelprinzip – nehmen also alle neuen Patienten, die im Einzugsbereich wohnen, an.
Im September 2019 sind in Sachsen Landtagswahlen. Was muss die Landesregierung in der kommenden Legislaturperiode für die Facharztversorgung in Sachsen tun?
Mit z. B. dem Programm „Sächsisches Hausarztstipendium“ – Ausbildungsbeihilfe für Medizinstudenten – wird deutlich, dass unsere Landesregierung schon seit Längerem dort ansetzt, wo besonderer Bedarf besteht: bei der Nachwuchsgewinnung. Natürlich muss man berücksichtigen, dass die bisweilen angespannte Versorgungslage in ländlichen Regionen auch mit grundsätzlichen infrastrukturellen, ökonomischen und soziopolitischen Entwicklungen verknüpft ist. Das Verhindern des Auseinanderdriftens von Stadt und Land dürfte insofern eine zentrale Herausforderung für die kommende Legislaturperiode sein. Die Bestrebungen zur Einführung einer Landarztquote zusammen mit einer Erhöhung der Studienplätze in Sachsen werden von uns ausdrücklich befürwortet.
Informationen
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– Techniker Krankenkasse, Matthias Jakob –