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Internationale Praxis Dresden

In der seit 2015 als „Flüchtlingsambulanz“ etablierten Internationalen Praxis in Dresden werden Menschen mit Migrationshintergrund umfassend medizinisch versorgt. Das Praxisteam zeichnet sich durch Mehrsprachigkeit und Interkulturalität aus.

Die Versorgung von nicht Deutsch sprechenden Patienten war auch schon vor dem starken Zustrom Asylsuchender ein Thema für verschiedene Gremien des Gesundheitssektors in Sachsen. Eine fünfköpfige Initiatorengruppe aus engagierten Ärzten und einer Soziologin begann Ende Dezember 2014, dafür ein Konzept zur Gesundheitsversorgung in Dresden zu entwickeln.

Doch im Sommer 2015 musste alles ganz schnell gehen. Aufgrund des starken Anstiegs der Asylsuchenden konnte im Erstaufnahmelager an der Bremer Straße in Dresden nur eine medizinische Notversorgung realisiert werden, viele Mediziner engagierten sich ehrenamtlich. Durch die Gesetzeslage war es zudem nicht möglich, dass insbesondere chronisch Kranke und Minderjährige sowie solche mit Behinderungen medizinisch adäquat behandelt werden konnten. „Im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Erstuntersuchung sollte kein allgemeinmedizinisches oder psychiatrisches „Screening“ stattfinden, sondern der Fokus lag auf dem Erkennen von Infektionskrankheiten“, erklärt Robert Baierl, Geschäftsführer der Bezirksgeschäftsstelle Dresden bei der KV Sachsen und damals als Assistent der Geschäftsführung von Anfang an mit der Thematik betraut.

Innerhalb weniger Wochen musste eine funktionierende medizinische Versorgung mit rechtlich sicherer Struktur für Migranten eingerichtet werden – auch um niedergelassene Ärzte von sprachlichen Barrieren und bürokratischem Aufwand zu entlasten. „Die Ärzte wurden mit Gesundheitsbeeinträchtigungen der ausländischen Patienten konfrontiert, die man hierzulande gar nicht kannte, wie z. B. mit Folterwunden, Schussverletzungen oder offenen Füßen vom Laufen, ganz zu schweigen von den dadurch erlittenen Traumata“, so Robert Baierl weiter.

Nach Absprachen der KV Sachsen mit dem Gesundheits- und Sozialamt der Landeshauptstadt, den Krankenkassen, dem Sächsischen Sozialministerium, des Dresdner Universitätsklinikums Carl Gustav Carus, verschiedenen Vereinen wie Medinetz Dresden e. V., Traumanetz Sachsen und dem Frauengesundheitszentrum Medea öffnete am 14. September 2015 die deutschlandweit erste speziell primärmedizinisch ausgerichtete Ambulanz zur Versorgung von ausländischen Patienten ihre Türen in Dresden.

Untergebracht ist die „Flüchtlingsambulanz“, heute „Internationale Praxis“ genannt, im Gebäude des Universitätsklinikums in der Fiedlerstraße 25, deren Mitarbeiter an dem schnellen und pragmatischen Start maßgeblich beteiligt waren. Die Ambulanz teilt sich die Räumlichkeiten mit der Kassenärztlichen Bereitschaftspraxis, was aufgrund der unterschiedlichen Dienstzeiten sehr gut funktioniert.

Interkulturelles Praxisteam aus Medizinern, Fachangestellten sowie Kultur- und Sprachmittlern

„Das ist eine gute Kombination“, sagt Katja Voigt, „die Doppelnutzung ist sehr effizient.“ Die Verwaltungsleiterin der Internationalen Praxis ergänzt seit 2016 das Praxisteam. Gestartet war es mit einer Ärztin als Koordinatorin und weiteren drei angestellten Ärzten, unterstützt durch auf Honorarbasis tätige Ärzte verschiedener Fachrichtungen. Inzwischen gehören auch Allgemeinärzte sowie eine Gynäkologin und eine Kinderärztin zum festen Praxisteam, unterstützt von Medizinischen Fachangestellten und einer Verwaltungsfachangestellten. Aufgrund der Vielzahl der Mitarbeiter und Abläufe wurde Katja Voigt die Funktion der Praxismanagerin übertragen. Die Ärztliche Leitung obliegt Henning Kamps und Dr. med. Dörthe Kempke.

Von essentieller Bedeutung für den Praxisalltag ist der Einsatz von Sprachmittlern. Sie tragen hohe Verantwortung und sind gleichzeitig Kulturmittler. Sie erfragen Patientenanliegen und erklären Verfahrensweisen oder Dokumente. Sie können umständliche oder schamhafte Umschreibungen verstehen und Stimmungen transportieren, beherrschen die Übersetzung in medizinische, aber verständliche Begriffe. Bei den Arzt-Patienten-Kontakten stellen sie die Kommunikation sicher. Sie beherrschen meist Englisch und Französisch sowie eine weitere Fremdsprache, darunter Arabisch, Farsi, Urdu oder Paschtu, Georgisch, Mazedonisch, Russisch oder Serbisch. Jeder von ihnen hat ein medizinisches Grundwissen, es sind einige Medizinstudenten dabei und auch zwei Ärzte, die noch auf ihre Approbation warten. Die medizinische Versorgung erfolgt auf dem Standard, wie er deutschen Patienten zugutekommt. Deshalb wird bei Ärzten der Facharztstandard gefordert, auch bei den ausländischen.

Hohe Erwartungshaltung der Patienten

Das interkulturelle Team widmet sich mit großem Engagement und viel Sensibilität der Aufgabe, den Patientinnen und Patienten in all ihrer Vielfalt bezüglich Herkunft, Kultur, Sprache, Familienstand, Bildung und Gesundheitsstatus möglichst gerecht zu werden. Pro Quartal kommen etwa 2.500 Patienten regelmäßig in die Praxis, insgesamt sind es etwa 6.000 Arzt-Patienten-Kontakte pro Quartal. Die meisten Patienten kommen aus Syrien und Afghanistan, Touristen sind eher selten. „Für sie ist so vieles neu hier – und typisch deutsch: Sie mussten z. B. das Terminsystem erst erlernen bzw. sich daran gewöhnen, wie ernst so ein Termin zu nehmen ist. Es ist ein Lernprozess, für beide Seiten“, erklärt Katja Voigt. „Wir versuchen, die Hintergründe unserer Patienten so gut es geht zu verstehen“, betont sie. „Die Patienten kommen mit Wünschen und Erwartungshaltungen, die Frustrationsschwelle ist oft niedrig. Sie bringen sehr komplexe Probleme und ihre Traumata mit, und diese zu lösen oder erst einmal zu erfragen ist sehr zeitintensiv.“

Den Migranten fehle hier das soziale Netz, sagt sie weiter, deshalb gehe es hier nicht nur um medizinische Betreuung, sondern sie reiche manchmal weit in die Sozialarbeit hinein – was aber auf Dauer weder personell noch finanziell in der Praxis geleistet werden könne. Deshalb sei Netzwerkarbeit so wichtig: die enge Zusammenarbeit mit der Frauenambulanz, ein reger Austausch mit Regionalkoordinatoren des Sozialamtes sowie Mitarbeitern von Caritas, AWO und weiteren Wohlfahrtsverbänden sowie mit Akteuren der Migrations- und Flüchtlingssozialarbeit. Eine Besonderheit der Internationalen Praxis in Dresden ist die Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsamt der Stadt, in deren Zuge bei Bedarf sowohl Drogenberatungen als auch Schwangerenkonfliktberatungen anboten werden.

Eine sehr gute Zusammenarbeit verbindet die Praxis mit dem Dresdner Universitätsklinikum: Ein „Flüchtlingslotse“ organisiert für ausländische Patientinnen und Patienten Termine in den Spezialkliniken, den passenden Sprachmittler und die notwendigen Unterlagen.

Patienten aus dem Umland willkommen

Einzugsgebiete sind die Stadt Dresden und die Landkreise Meißen, Bautzen und Sächsische Schweiz. Da die Untersuchungen sehr beratungsintensiv sind und sich der sprachliche Austausch meist schwierig gestaltet, können Ärzte – auch aus dem weiträumigen Dresdner Umfeld – gern ihre ausländischen Patienten an die Internationale Praxis in Dresden überweisen. Eine vorherige Anmeldung wäre wichtig für den Praxisablauf.

  • Internationale Praxis
    Fiedlerstraße 25 (Haus 28 des UKD), 01307 Dresden
    Telefon: 0351 4264-3297
    Fax: 0351 4264-3294
    E-Mail: fluechtlingsambulanz@kvsachsen.de
  • Öffnungszeiten
    Montag 09:00 – 17:00 Uhr
    Dienstag 11:00 – 17:00 Uhr
    Mittwoch 09:00 – 17:00 Uhr
    Donnerstag 09:00 – 17:00 Uhr
    Freitag 09:00 – 15:00 Uhr
    außer an Brücken- und Feiertagen und 24. und 31. Dezember

                                                                                                 – Öffentlichkeitsarbeit / pfl –