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Die Vorbereitung der Praxisabgabe - dargestellt am Beispiel der Einzel-Arztpraxis

Die Übertragung einer Arztpraxis auf einen Nachfolger wird aus den unterschiedlichsten Gründen nicht einfacher. Oft ist es schwierig, überhaupt einen geeigneten Nachfolger zu finden. Darüber hinaus gibt es zwangsläufig Unterschiede in gesperrten und unterversorgten Gebieten. Eine besondere Situation besteht in Großstädten, wo zum Teil gleich mehrere Interessenten zwecks Übernahme der Praxis miteinander konkurrieren.

Es ist wichtig, die Praxisabgabe längerfristig zu planen. Fünf Jahre erscheinen lang. Es gibt jedoch viele gute Gründe, von einem so langen Zeitfenster auszugehen. Einige sollen hier dargestellt werden:

Verfügt der Arzt über eine Weiterbildungsbefugnis, dann bietet sich für ihn gegebenenfalls die Möglichkeit, den Arzt in Weiterbildung später anzustellen oder mit ihm auf andere Art und Weise zusammenzuarbeiten. Neben der Anstellung ist an die Niederlassung in Kooperation mit dem ehemaligen „Ausbilder“ in Form einer Organisationsgemeinschaft oder Berufsausübungsgemeinschaft, wie Praxisgemeinschaft oder Gemeinschaftspraxis, zu denken.

In gesperrten Gebieten ist die Situation sicherlich schwieriger. Das Zulassungsverfahren ist zweistufig aufgebaut. Zunächst muss kraft Gesetzes geprüft werden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorliegen, dass überhaupt ausgeschrieben wird. In der ersten Stufe muss der Zulassungsausschuss prüfen, ob ein Nachbesetzungsverfahren durchgeführt wird. Hierzu muss die Versorgungsrelevanz geprüft werden (§ 103 Abs. 3a Satz 3 bis 14 SGB V). Wird dem Antrag auf Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens entsprochen, hat die KV den Vertragsarztsitz auszuschreiben.

Job-Sharing in Betracht ziehen

Bei mehreren in Betracht kommenden Bewerbern muss der Zulassungsausschuss den Nachfolger in der zweiten Stufe nach pflichtgemäßen Ermessen auswählen (§ 103 Abs. 4 S. 4 SGB V). Hier sollte an die Variante des Job-Sharing gedacht werden. Eine vorausgegangene mindestens dreijährige Tätigkeit als Job-Sharing-Angestellter oder als Mitgesellschafter in einer Job-Sharing-Gemeinschaftspraxis bewirkt, dass der Zulassungsausschuss kraft Gesetzes verpflichtet ist, das Nachbesetzungsverfahren durchzuführen (§ 103 Abs. 3a Satz 5 SGB V). Die erste Stufe – Verpflichtung zur Ausschreibung – kann also auf diese Art und Weise sichergestellt werden.

Das Gesetz sieht darüber hinaus eine besondere Berücksichtigung bei der Bewerberauswahl vor, und zwar dann, wenn zuvor eine Job-Sharing-Gemeinschaftspraxis gegründet und betrieben wurde (§ 101 Abs. 3 Satz 4 SGB V). Im Gesetz steht zwar, dass die gemeinsame Praxisausübung erst nach mindestens fünfjähriger vertragsärztlicher Tätigkeit zu berücksichtigen ist. Es wird in der Literatur jedoch von einem Redaktionsversehen ausgegangen und darauf hingewiesen, dass auch hier eine dreijährige Frist für die Privilegierung bei der Bewerberauswahl gelten soll.

Gemeinschaftspraxis mit Juniorarzt

Neben den oben dargestellten Konstellationen der Job-Sharing-Tätigkeit besteht auch die Möglichkeit, dass der Seniorarzt eine halbe Praxis an einen Juniorarzt veräußert mit der Maßgabe, dass der Juniorarzt eine halbe Zulassung erhält. Mit dem Juniorarzt wird eine Gemeinschaftspraxis gegründet. Jeder Arzt verfügt anschließend über eine halbe Zulassung. Auch hier ist ein Nachbesetzungsverfahren durchzuführen, das geraume Zeit läuft. Eine solche Konstellation wird auch bei der Nachbesetzung Berücksichtigung finden, wenn sie über einen längeren Zeitraum praktiziert wurde. Die Regelung des § 103 Abs. 6 SGB V verweist bei gemeinschaftlicher Berufsausübung ausdrücklich auf die Notwendigkeit der Berücksichtigung der Interessen der verbleibenden Vertragsärzte bei der Bewerberauswahl. Daneben kann ein voller Versorgungsauftrag in der Weise beschränkt werden, dass ein hälftiger Versorgungsauftrag ausgeschrieben wird. Der auf eine halbe Vertragsarztzulassung verzichtende Arzt bewirbt sich dann hierauf mit einem anzustellenden Vertragsarzt.

Drei Jahre angestellt bleiben

Will der Arzt seine Praxis ohne Durchführung eines Ausschreibungsverfahrens an einen anderen Vertragsarzt oder ein MVZ verkaufen, dann setzt die Genehmigung dieses Vorgangs durch die Zulassungsgremien nach der jüngsten Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes voraus, dass er beabsichtigt, für die Dauer von drei Jahren beim Erwerber im Anstellungsverhältnis tätig zu sein, wobei eine stufenweise Reduzierung des zeitlichen Umfangs unter bestimmten Voraussetzungen zulässig ist. Auch bei dieser Variante muss der abgabewillige Arzt daran denken, dass er nach der Praxisübertragung noch drei Jahre – wenn auch im Anstellungsverhältnis – berufstätig bleiben muss.

Zur Vorbereitung der Praxisabgabe gehört auch, dass der Abgeber seine Praxis möglichst gut auf eine mögliche Übertragung vorbereitet, wozu auch die Sichtung sämtlicher Verträge gehört.

Klare Arbeitsverträge, gegebenenfalls zu erstellende Nachträge, die den aktuellen Stand der geänderten / später hinzugekommenen vertraglichen Abreden widerspiegeln, gehören dazu. Darüber hinaus sollten die Mitarbeiter auf einen Betriebsübergang vorbereitet werden. Der Käufer tritt in die bestehenden Rechte und Pflichten ein. Häufig wird er froh sein, wenn er mit der Übernahme qualifizierte und freundliche Mitarbeiter vorfindet, die die gesamten Betriebsabläufe kennen. Umgekehrt muss der Käufer natürlich wissen, welche konkreten vertraglichen Abreden bestehen, wozu auch mündliche Vereinbarungen bzw. Ansprüche aus betrieblicher Übung etc. gehören.

Klare Verträge und langfristige Planung

Nicht zu unterschätzen ist auch der Mietvertrag. Kurz vor einer Praxisübertragung wird der Vermieter nur selten bereit sein, etwaige Vertragsänderungen zu akzeptieren, die sich mit dem Mieterwechsel wegen einer Praxisübertragung befassen. Sind es jedoch noch mehrere Jahre bis zu der geplanten Praxisübertragung und ist der Vermieter verhandlungsbereit, dann lassen sich verschiedene Modelle vereinbaren, um einen Mieterwechsel sicherzustellen. Für den Abgeber ist es wichtig, dass er aus dem Mietverhältnis entlassen wird. Der Übernehmer will wissen, was auf ihn mietvertraglich zukommt, um Planungssicherheit zu haben.

Handelt der abgabewillige Arzt erst sehr spät, d. h. kurz vor dem von ihm gewünschten Abgabetermin, dann sind auftretende Schwierigkeiten vorprogrammiert. Das zweistufige Nachbesetzungsverfahren dauert grundsätzlich sechs bis neun Monate. Gibt es im gesperrten Gebiet mehrere Bewerber, die sich um die Praxis und den damit verbundenen Sitz bewerben, dann sind weitere Schwierigkeiten nicht auszuschließen, denn die Bewerberauswahl richtet sich nach gesetzlich festgelegten Kriterien. Mit Konkurrentenwidersprüchen bzw. Konkurrentenklagen muss man zumindest in Großstädten rechnen.

Durch eine längerfristige Planung lassen sich nicht alle denkbaren Probleme lösen, aber in jedem Falle deutlich mildern. Neben öffentlich-rechtlichen Fragestellungen um die Zulassung sind zivilrechtliche und steuerrechtliche Fragestellungen z. B. bei der Vertragsgestaltung und der Kaufpreisfinanzierung / Kaufpreisabsicherung zu berücksichtigen. Hinzu kommt Folgendes: Wenn der Jungarzt schon mehrere Jahre vor dem geplanten Ausscheiden in die Praxis eingebunden wird, dann werden auch gute Bedingungen für die Kontinuität der Patientenversorgung geschaffen. Stimmt dann auch noch die „Chemie“ zwischen Abgeber und Übernehmer, dann wurden gute Grundlagen für eine erfolgreiche Praxisübernahme hergestellt.

                                 – Dr. Jürgen Trilsch, Rechtsanwalt / Fachanwalt für Medizinrecht –

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde im Text die männliche Form gewählt, nichtsdestoweniger beziehen sich die Angaben auf Angehörige aller Geschlechter.