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Wir fordern: Budgetierung aufheben!

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

erinnern Sie sich noch? Ursprünglich sollte die im Jahr 1993 vom damaligen CSU-Gesundheitsminister Horst Seehofer eingeführte „Ausgabenbremse“ für Ärzte auf drei Jahre befristet sein. Daraus wurde leider eine dauerhafte Budgetierung, gegen die Ärzte und Ärztevertreter immer wieder – und zu Recht – ankämpfen. Auch aus meiner Sicht erscheint es unlogisch, eine ärztliche Grundversorgung mit entsprechenden Leistungen einzufordern, aber gleichzeitig deren Honorierung zu budgetieren. Das ist weder im Sinne der Ärzteschaft noch im Interesse der Patienten.

„Es muss endlich Schluss sein mit begrenzten finanziellen Mitteln bei gleichzeitig unbegrenzter Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen durch die Patienten“, sagt auch Dr. Dirk Heinrich, Vorstandsvorsitzender des Spitzenverbandes der Fachärzte e. V. (SpiFa). Die Budgetierung ärztlicher Leistungen hemme nach wie vor die Versorgung, ist seine Meinung. Und sie sei verantwortlich dafür, dass fachärztliche Versorgungspraxen nicht in dem Maße nachbesetzt werden könnten, wie die Patientinnen und Patienten sie dringend brauchten. „Um eine flächendeckende Versorgung für die Gesellschaft zu erreichen, brauchen wir feste Preise für ärztliche Leistungen und eine Abschaffung der Budgetierung“, betont der SpiFa immer wieder.

Lobenswert war auch der Vorstoß des Schleswig-Holsteinischen Gesundheitsministers Dr. Heiner Garg im Sommer letzten Jahres, auf der 91. Gesundheitsministerkonferenz für die Abschaffung der Budgetierung zu plädieren. „Die Entbudgetierung ist ein einfacher und wirksamer Beitrag zur Fachkräftesicherung, da dann Ärzte für ihre tatsächlich erbrachte Leistung vergütet würden“, sagte Garg damals. Sein Antrag sah vor, die Entbudgetierung mit Leistungen der haus- und fachärztlichen Grundversorgung zu beginnen. Die Idee war, dies aus den Überschüssen der Krankenkassen zu finanzieren. Doch leider fand sich dafür unter seinen Amtskollegen keine Mehrheit.

Entbudgetierung von Grundleistungen erscheint realistisch

Die KBV fordert die Entbudgetierung von Grundleistungen schon seit Längerem. Durch die Entbudgetierung sollten keine ökonomischen Anreize für den Arzt bei der Abrechnung der Leistungsmenge entstehen. Deshalb gehe es in einem ersten Schritt vor allem um die Ausbudgetierung von Grundleistungen wie Versicherten- und Grundpauschale, hausärztliche Vorhaltepauschale sowie die Pauschalen für die fachärztliche Grundversorgung. Nach dem Stand Mitte 2018 würden diese Maßnahmen etwa 450 Millionen Euro kosten. Ein zweiter Schritt wäre dann langfristig die Umwandlung in ein nicht budgetiertes Vergütungssystem.

Ein Ende des Budgets hätte mehrere positive Effekte: Statt einer schwer verständlichen Honorarabrechnung und Ungerechtigkeit durch unterschiedliche Preise gäbe es Klarheit und Verständlichkeit sowie gleiches Geld für gleiche Leistung. Die bessere Planungssicherheit und gerechtere Vergütung wären dann auch geeignete Argumente, um mehr junge Mediziner zur Niederlassung zu motivieren.

Studien zeigen – wie zum Beispiel die des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung – dass die meisten Ärzte trotz Unterbezahlung ihre Leistungen nicht reduzieren, auch nicht am Quartalsende. Würden Ärzte tatsächlich nach Budget arbeiten, also Dienst nach Vorschrift machen, wie von manchem unterstellt, dann gäbe es in jedem Quartal deutschlandweit Millionen Arztkontakte weniger. Ich denke, Ärzte würden diese Konsequenz nicht wollen. Aber mit der Vergütung muss nachgezogen werden. Hier sehe ich den Bund weiterhin in der Pflicht, insbesondere vor dem Hintergrund des zunehmenden Fachkräftebedarfs im ärztlichen Bereich, eine Entbudgetierung zu prüfen.

Budgetierung von ärztlichen Leistungen schrittweise aufheben

Unterstützung bekommen wir Mediziner wenigstens von der FDP. Die Partei hat Mitte Oktober 2018 einen Antrag zur Entbudgetierung im Bundestag gestellt, auch um dem Ärztemangel entgegenzuwirken. Sie kritisiert, dass das neue Terminservice- und Versorgungsgesetz mit der Ausweitung von Terminvermittlungsstellen völlig falsche Akzente setze, die dazu führten, dass Ärzte noch mehr bürokratische Aufgaben erledigen müssten und entsprechend noch weniger Zeit für ihre Patienten hätten.

Ärzte sollten sich aber gerade mehr Zeit für den einzelnen Patienten nehmen können und deshalb tatsächlich nach Leistung bezahlt werden, heißt es in dem Papier: „Es darf kein Arzt dafür bestraft werden, dass er sich intensiv um seine Patienten kümmert“. Die FDP fordert den Bundestag auf, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Budgetierung von ärztlichen Leistungen schrittweise aufhebt, angefangen bei den grundversorgenden Haus- und Fachärzten. Auch solle das Gesetz bürokratische Tätigkeiten und Berichtspflichten von Ärzten reduzieren, heißt es weiter.

Die Entbudgetierung von Grundleistungen als erster Schritt zur gerechteren Vergütung ist eine Forderung, die sich im derzeitigen politischen Umfeld leider äußerst schlecht umsetzen lässt.
Ganz im Gegenteil: So erdreistet sich ein Herr Johann-Magnus von Stackelberg, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des GKV-Spitzenverbandes, in einem öffentlichen Statement vom 20. Dezember 2018 zu behaupten, dass es „Kein Wunder [sei], dass immer mehr Menschen in die Notaufnahmen der Krankenhäuser gehen. Denn Krankheiten richten sich nicht nach den Lieblingsöffnungszeiten der niedergelassenen Ärzte“. Dabei verschweigt er bewusst, dass Ärzte außer ihren Sprechstunden auch Hausbesuche und Bereitschaftsdienste leisten.

Seien wir gespannt, was uns das Jahr 2019 bringen wird.

Es grüßt Sie herzlich

Ihre Sylvia Krug