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Zwei Seiten der Medaille: Ein Termin ist ein gegenseitiges Versprechen

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

kürzlich las ich in verschiedenen Publikationen zwei Dinge, die mich sehr nachdenklich gemacht haben und die zwei Seiten einer Medaille zeigen.

Der Patient

Unterschiedliche Interessenvertreter haben sich in den Monaten politischer Sondierungen mit immer neuen Vorschlägen zu Wort gemeldet, was denn künftig wie zu lösen sei. Auch Vertreter der Patienten taten dies in der Hoffnung, dass ihre Vorschläge in einem Koalitionspapier Platz finden. Das ist ihr gutes demokratisches Recht. Interessenvertreter, gern auch Lobbyisten genannt, sollten dabei aber immer im Blick haben, was ihrer Klientel wirklich nutzt.
Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, kritisiert immer wieder die Praxis der Vermittlung von Arztterminen durch die Servicestellen der KV en. Die KV en machten es den Patienten schwer, diese Stellen zu erreichen. „Deshalb ist es notwendig, die Kassenärzte gesetzlich dazu zu zwingen, eine einheitliche bundesweite Rufnummer einzurichten, die werktags zehn Stunden zu erreichen ist“, sagte Brysch dem Evangelischen Pressedienst Anfang dieses Jahres.

Angenommen, dieser Vorschlag wäre tatsächlich umzusetzen: Die KV en müssten ihr Personal in den Terminservicestellen deutlich aufstocken, damit diese in die Lage versetzt würden, noch umfänglicher in den Praxen im Auftrag der Patienten um freie Termine nachsuchen zu können. Außerdem würden durch die zunehmende Zahl der Anrufe in den Arztpraxen Kapazitäten unnötig gebunden und der medizinischen Versorgung entzogen. Damit werden Mittel aus der medizinischen Versorgung in zusätzliche Verwaltung verschoben. Da es bekanntlich ein Kapazitätsproblem gibt und der Ärztemangel bekannt ist, wäre der Effekt minimal und der Aufwand zu hoch. Die Schlüsselfrage lautet hier: Wie viele zusätzliche und damit schnellere Arzttermine werden durch diesen Aufwand geschaffen?

Der Arzt

Parallel beklagen insbesondere fachärztliche Kollegen die zunehmende Terminuntreue ihrer Patienten. So hatte die KBV bereits im Jahr 2014 durch das Meinungsforschungsinstitut Infas eine repräsentative Umfrage unter rund 1.000 Ärzten durchführen lassen. Hierbei gaben die Befragten an, dass 10 Prozent der Termine aufgrund von Absagen nicht zustande kommen und dass weitere 10 Prozent an vergebenen Terminen ohne Absage nicht wahrgenommen worden seien. Dem Vorstand der KV Sachsen liegen auch aktuelle Informationen sächsischer Ärzte vor, die das für ihre jeweiligen Praxen beklagen und belegen.

Offenbar sind sich die Patienten nicht darüber im Klaren, dass sie damit den selbst beklagten Zustand verschlimmern. Der bestellte und ungenutzte Termin hätte einem anderen Patienten geholfen und verursacht außerdem Kosten durch Verdienstausfall und vorgehaltene technische und personelle Kapazitäten. Natürlich wäre es vernünftig, durch den Gesetzgeber auch Patienten in die Pflicht zu nehmen. In Südtirol beispielsweise werden vom Patienten 35 Euro für einen nicht rechtzeitig abgesagten Termin verlangt. Hier lautet die Schlüsselfrage: Wie viele Arzttermine, die schneller an einen akut erkrankten Patienten vermittelt werden könnten, werden dadurch vernichtet?

Die Quintessenz

Durch die Einführung der Kennzeichnung ABC auf dem Überweisungsschein und des Neupatientenmodells hat die KV Sachsen im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben eine pragmatische und praktikable Lösung gefunden, die genau dort unterstützt, wo es besonders nötig ist und aber auch die eigene Initiative und Verantwortung des Patienten einfordert. Alle Beteiligten können sich hier mit Augenmaß einbringen. Die Vorstellung, dass auch hausärztliche Termine vermittelt werden sollen, führt dieses System ad absurdum, da der Patient richtigerweise seinen und nicht einen Hausarzt konsultieren möchte.

Grundsätzlich gilt, wie es eine niedergelassene Gynäkologin formuliert hat: Ein Termin ist ein gegenseitiges Versprechen!

In diesem Sinne grüße ich Sie herzlich

Ihre Sylvia Krug