Bürokratie oder Effizienz?
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
können auch begrenzte Ressourcen Innovationen hervorbringen oder ist Voraussetzung dafür, dass man aus dem Vollen schöpfen kann? Sind Probleme dazu da, gelöst zu werden oder nehmen wir sie hin und überlassen es ein gutes Stück weit dem Zufall, ob Patienten zu ihrem Recht kommen, welche uns vertrauen und deren Wohl wesentlich von unserm Tun abhängt?
Ähnlich, wie der primäre Verdacht auf ein Schlaf-Apnoe-Syndrom in einem Screening bei vielen Patienten entkräftet werden kann, ohne dass diese ins Schlaflabor müssen, brauchen bei weitem nicht alle Patienten zum Beispiel mit Gelenkbeschwerden einen Rheumatologen. Dafür erscheint ein Screening durch Haus- oder andere Fachärzte ebenso geboten. Damit erhält auch eine sich daraus eventuell ergebende Überweisung mehr Gewicht. Um das Verhältnis von Aufwand und Nutzen eines solchen Screenings möglichst optimal zu gestalten, entwickelten Kollegen in Zusammenarbeit mit der Bezirksgeschäftsstelle Chemnitz der KV Sachsen zu diesem Thema einen überschaubaren Fragebogen. Dieser erfasst im Wesentlichen grundlegende anamnestische Angaben und klinische Befunde. Anzustreben ist neben der Papierform natürlich auch eine elektronische Variante dieses Bogens mit automatischer Ablage in der entsprechenden Patientenkartei des jeweiligen Praxisverwaltungssystems und ein entsprechendes Honorar für diese, die Patientenversorgung klar verbessernde und trotzdem kostensparende ärztliche Leistung.
Große Teile der Politiker aller Couleur beschränken sich darauf, eine Mehrheit des Volkes den Traum unbegrenzter Verfügbarkeit von Spitzenleistungen weiterträumen zu lassen. Selbst wenn man die Prioritäten so setzen würde, dass dieser Traum finanzierbar wäre, erweist er sich infolge der Politik der letzten fast 25 Jahre spätestens bei der dazu notwendigen personellen Untersetzung als völlig unrealistisch. Wie sollen auch Instrumente, welche zur Begrenzung beziehungsweise der Vernichtung von Kapazitäten geschaffen wurden, wie zum Beispiel Bedarfsplanung und zuletzt Aufkaufregelung auf einmal Mangel beheben.
Bei dem Begriff Bedarfsplanung hat sich die Politik 1993 noch die Mühe gemacht, das eigentliche Ziel zu verschleiern, nämlich die Fest- und Fortschreibung eines Ist-Zustandes, um möglichst wenig Anlass zum Nachdenken und damit zu Widerstand zu geben. Über Morbidität und deren Entwicklung als Grundlage zur Bestimmung von Bedarf und Planung von Kapazitäten aus medizinischer Sicht hat sich noch kein Politiker nennenswert Gedanken gemacht. Das zu ändern würde zuerst Korrekturen im SGB V in diesem Sinne bedeuten, ehe eine echte Bedarfsplanung darauf aufbauen kann. Stattdessen wird man den Eindruck nicht los, dass die Phobie vor vermeintlich unredlichen Ärzten bei Vertretern quer durch das politische Spektrum tief verankert ist, was meist zu den vom Grundsatz her immer gleichen reflexartigen Reaktionen führt.
Trotzdem bleiben aus heutiger Sicht nur die beiden Möglichkeiten, entweder die Verfügbarkeit begrenzter Ressourcen an Spitzenleistungen auf das medizinisch Notwendige zu begrenzen oder diese Leistungen durch Substitution auf Mittelmaß zu reduzieren. Dann kann jeder, „dem der Appetit nicht vergangen ist, noch einen Teller mehr von der verdünnten Suppe essen“. Dagegen würden sozial gerechte finanzielle Anreize zur angemessenen Inanspruchnahme medizinischer Leistungen in der Krankenversicherung am leichtesten Beitragssenkungen möglich machen, ohne dass davon auch nur ein Patient einen medizinischen Nachteil hat und Politik würde sich viel leichter tun, wenn sie so die Leistungsträger dieser Gesellschaft hinter sich hat.
Transparenz für alle Beteiligten schaffen dabei am besten Einzelleistungen anstelle von Pauschalen noch dazu patientenkontaktunabhängigen. Überzeugungsarbeit ist also auch in den eigenen Reihen zu leisten.
Nehmen wir uns auch im Hinblick auf die bevorstehende Wahl die Zeit, dies zumindest in Grundzügen mit unseren Patienten zu diskutieren und bleiben wir zuversichtlich.
Mit freundlichen kollegialen Grüßen
Ihr Axel Stelzner