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Umsonstkultur

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

der Vorstand der Bundesbank, Herr Andreas Dombret, sprach in einem Interview (Die Welt, 3. April 2017) vom „Ende der Umsonstkultur“. Damit meinte er, dass die Zeiten vorbei seien, wo man bei Banken Dienstleistungen und Produkte ohne Gebühren bekommen kann. Bisher wurde dies als eine Selbstverständlichkeit empfunden, denn schließlich nehmen die Banken ja genug Zinsen ein und deckten damit ihre Kosten. In der Zeit der Null- und Minuszinsen geht das nun nicht mehr.

Es gibt auch andere Beispiele: Im Geschäft, an der Tankstelle usw. muss man bezahlen, beim Arzt aber nicht. Denn hier gibt es die Umsonstkultur: Wenn es nichts kostet, kann man ja mehr nehmen, als man eigentlich braucht. So glaubt mancher beim Aufsuchen einer Notaufnahme im Krankenhaus, dass er alle Untersuchungen bekommen kann.

Wenn der Vorstand der KV Sachsen seit Jahren eine Kostenbeteiligung der Patienten fordert, steht er sofort am medialen Pranger, weil er damit den Armen die dringend notwendige medizinische Versorgung verwehrt. Das ist selbstverständlich nicht die Intention des Zuzahlungsmodells, welches ich schon an verschiedenen Stellen vorgestellt habe: die Zuzahlungen wären einkommensabhängig abgestaffelt. Schon eine geringe Kostenbeteiligung lässt eine Behandlung wertvoller erscheinen und fördert einen sorgsameren Umgang mit den vorhandenen Ressourcen. So konnten wir beobachten, dass sich nach Einführung der Praxisgebühr die Inanspruchnahme des kassenärztlichen Bereitschaftsdienstes fast halbiert hatte. Das kann man nur so interpretieren, dass es etwa der Hälfte der Patienten keine 10,00 Euro wert war, dass sie der Arzt nachts oder am Wochenende aufgesucht hat.

Inzwischen sind wir Sachsen mit unseren Forderungen, für medizinische Leistungen, besonders im Notfall- und Bereitschaftsdienst, eine wie auch immer gestaltete Eigenbeteiligung einzuführen, in Deutschland nicht mehr allein. Wieso ist es eigentlich so verwerflich, wenn ein Patient z. B. 20,00 Euro für den direkten Zugang in eine Notaufnahme bezahlt? Zum Vergleich: Das entspricht etwa dem Preis von drei Schachteln (versteuerter) Zigaretten. Der medizinische Fortschritt lindert Schmerzen, erhöht Heilungschancen, verlängert Leben und erzeugt natürlich auch Kosten. Jeder muss sich fragen: Was ist mir meine Gesundheit wert?

Deshalb müssen wir die Umsonstkultur durch eine Wertkultur ersetzen. Zu diesen Werten gehört das Solidarprinzip, welches die Basis der gesetzlichen Krankenversicherung bildet. Diese Solidarität bedingt aber auch Eigenverantwortung und damit Eigenbeteiligung.

Mit freundlichen Grüßen

 

Ihr Klaus Heckemann