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KVS-Mitteilungen

KVS-Mitteilungen - Ausgabe 02/2008

Durchstichregion? Nein, danke!

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

das Ende Januar an Sie ausgelieferte gemeinsame Sonderheft der KVen Sachsen und Thüringen: „Hausarztverträge – Chance oder Risiko“ – bietet sicher ausreichend Stoff für Diskussionen. Mein Kollege Klaus Heckemann und ich sind ganz sicher, dass uns dieses brisante Thema weiter beschäftigen wird, auch in den nächsten Ausgaben unserer KVS-Mitteilungen.

Unwort

Mir fällt zunehmend die Unsitte von Politikern und „wichtigen“ Funktionsträgern auf, gerade brisante Themen mit einem schwer verständlichen Vokabular zu „behängen“ – vielleicht um unangenehme Botschaften zu „bemänteln“? Brisant heißt richtig deutsch hochexplosiv. Das dürfte kein Verständnisproblem sein.

Aber wissen Sie, was eine Durchstichregion ist? Sie werden staunen: Wenn es nach der Gematik* und dem Bundesgesundheits- ministerium geht, sind wir das; die sächsischen Ärzte, Patienten und Bürger schlechthin. Uns Sachsen hat man auserkoren für ein „vorgezogenes Rollout“. Sie erkennen an der gehobenen Funktionsträgersprache unschwer, es geht wieder um ein brisantes Thema, in diesem Fall um die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte (eGK).

Wahrscheinlich kannte die Jury, die kürzlich das Unwort des Jahres gekürt hat, den Begriff „Durchstichregion“ nicht. Ich hätte ihm gute Chancen für einen Spitzenplatz eingeräumt. Außerdem bin ich für ein „Rollout“ des Durchstichs.

Skepsis

Nun sagen wir es noch einmal auf Deutsch: Es gibt die offizielle Anfrage, ob nicht in Sachsen ab Oktober 2008 als erstem Bundesland überhaupt flächendeckend die neue Gesundheitskarte eingeführt werden sollte. Der Vorstand der KV Sachsen hat sich zur „Durchstichregion“ positioniert und sagt klar verständlich: Nein, danke! Wir lassen uns vom Wortschatz der Funktionsträger nicht die Probleme bemänteln. Und die gibt es mit der eGK, (momentan leider noch) viel zu viele.

Unsere niedergelassenen Ärzte in Sachsen sind derzeit überwiegend sehr skeptisch. Schauen wir nur in die Testregion Löbau-Zittau. Dort gibt es nach einem Jahr immer noch technische Probleme. Eine Kasse hat bisher noch gar keine brauchbaren Karten geliefert. Ich denke auch an die angespannte ambulante Versorgungssituation in Sachsen. Das Vorziehen der flächendeckenden Einführung der eGK würde ältere manuell abrechnende Ärzte aus dem System drängen und damit zu einer zusätzlichen Verschlechterung besonders in von medizinischer Unterversorgung bedrohten Regionen führen.

Fragezeichen

Weiterhin ungeklärt ist die Frage der Finanzierung. Ein endgültiges Ja zur elektronischen Gesundheitskarte wird es von uns erst dann geben, wenn feststeht, wer was bezahlt und wie teuer das Ganze wird. Immerhin, Karl Lauterbach (!) formuliert es im taz-Interview vom 24.01. so: „Die Ärzte müssen, genau wie die Krankenkassen, in die Karte investieren, und das wollen sie nicht. Schließlich haben sie keinen finanziellen Vorteil durch die Karte – und sie macht auch noch ihre Arbeit transparenter.“ Wo er Recht hat, hat er Recht.

Wir freuen uns, dass in Sachsen zu diesem Thema eine gemeinsame Presseerklärung der im Gesundheitswesen tätigen Körperschaften zustande gekommen ist, die wir auf Seite 10 abdrucken.

Schließen möchte ich mit einem Zitat von Erich Kästner: „Was immer geschieht, nie dürft ihr so tief sinken, von dem Kakao, durch den man euch zieht, auch noch zu trinken.“

Mit freundlichen kollegialen Grüßen

 

 

 

 

Ihre Stellv. Vorstandsvorsitzende
Ulrike Schwäblein-Sprafke